Die Gefahren der Metropolen

Die Gefahren der Metropolen

Im Messepalast sind Originalillustrationen von Antonín Pelc zu Balzacs „Verlorenen Illusionen“ zu sehen

26. 6. 2013 - Text: Peggy LohseText: Peggy Lohse; Foto: NG

Was Paris für Frankreich ist, ist für Tschechien Prag: Hauptstadt, Metropole und Anziehungspunkt für all diejenigen, die es einmal weit bringen wollen. Sie suchen Anerkennung, Erfolg, Reichtum. Sie sind Geschäftsleute, einfache Arbeiter, Künstler. Wem das Glück nicht zuteil wurde, im gesellschaftlichen Zentrum geboren worden zu sein, der verlässt die heimatliche Provinz. Vom Kleinteiligen und Bekannten kommt man in einen großen Trubel unbekannter Gesichter und Umgangsformen und sucht den Aufstieg. Dieses Phänomen ist nicht neu, aber noch immer aktuell. Zahlreiche Künstler suchen dabei voller Tatendrang und Abenteuerlust nach der Idee für den großen Wurf.

Ein literarisches Zeitzeugnis eines solchen, allerdings erfolglosen, Beispiels aus dem 19. Jahrhundert ist der Roman „Verlorene Illusionen“ von Honoré de Balzac. Das Werk gehört zu dessen Monumental-Zyklus „Die menschliche Komödie“.Der Abschnitt „Szenen aus dem Provinzleben“ erzählt, wie der junge Schriftsteller Lucien sein Zuhause verlässt, um auf der Suche nach dem großen Glück von der Pariser Großstadtgesellschaft überrannt zu werden.

Intrigen und Abhängigkeiten
Nach dem Einmarsch der Nationalsozialisten in Böhmen 1939 zog es auch den tschechischen Maler und Karikaturisten Antonín Pelc (1895–1967) nach Paris. Seine Werke blieben bis heute weithin unbeachtet, weil sie keinem der vergangenen Regime ideologisch entsprachen. Sie bewegen sich zwischen Synthetischem Kubismus des jungen 20. Jahrhunderts und der Neuen Sachlichkeit. Sie stehen in einer ähnlichen Tradition wie die Arbeiten von Josef Čapek oder Adolf Hoffmeister.

Die tschechische Übersetzung von Balzacs „Verlorenen Illusionen“ wurde 1959 veröffentlicht. Die Illustrationen stammen von Pelc, der für diese Arbeiten den Preis der Internationalen Ausstellung für Buchkunst in Leipzig erhielt. Im Grafischen Kabinett der Nationalgalerie sind nun noch bis Mitte September die Originalzeichnungen zu sehen. Für die Kenner des Romans veranschaulichen sie das Stadtleben, Intrigen, zwischenmenschliche Beziehungen und Abhängigkeiten, die Balzac thematisiert, bis hin zur Rückkehr des Protagonisten in seine kleine Heimatstadt. Die Zeiten mögen sich geändert haben, die Welt mag sich weiterentwickeln, doch die Anziehungskraft der Großstadt und ihre Gefahren bleiben stets die gleichen.

Antonín Pelc: Balzacs „Verlorene Illusionen“. Messepalast (Veletržní palác, Dukelských hrdinů 47, Prag 7), geöffnet: täglich außer montags 10–18Uhr, Eintritt: 180 CZK (ermäßigt 90 CZK), bis 15. September

Weitere Artikel

... von Peggy Lohse
... aus dem Bereich Kunst

Abonniere unseren Newsletter