Der Comebacker des Jahres

Der Comebacker des Jahres

Nationalspieler Adam Hloušek kämpfte anderthalb Jahre um seine Karriere – jetzt spielt (und trifft) er wieder

25. 9. 2013 - Interview: Klaus Hanisch

„Gefühlt zwei Jahre“ habe er gefehlt, sagte sein Trainer Michael Wiesinger nach Abpfiff zur „Prager Zeitung“. Tatsächlich erlitt Adam Hloušek Ende März 2012 einen Kreuzbandriss, schon der zweite in seiner Karriere – für Profi-Fußballer oft das berufliche Todesurteil. Am Samstag, anderthalb Jahre später, stand der tschechische Nationalspieler in der Startelf des 1. FC Nürnberg, der Tabellenführer und Champions-League-Finalist Borussia Dortmund die ersten Saisonpunkte abknöpfte. Eine Woche zuvor hatte Hloušek bei Aufsteiger Eintracht Braunschweig sein erstes Spiel nach der langen Verletzungspause bestritten – und dabei sogar das Führungstor für den Club beim 1:1 erzielt. Adam Hloušek ist ohne Frage der „Comebacker des Jahres 2013“.

Wie überrascht sind Sie selbst von Ihrem Comeback?

Adam Hloušek: Ich bin gerührt! Für mich ist es schon super, dass ich überhaupt wieder spiele. Und dann gleich das Tor, das war unglaublich. Schade, dass wir in den beiden Partien nur jeweils einen Punkt geholt haben.

Ihr strahlendes Lachen direkt nach diesem Treffer vermittelte den Eindruck, dass anscheinend eine große Last von Ihnen gefallen war. Hatten Sie in all den Monaten Sorge, dass ein Karriereende drohen könnte?

Hloušek: Das Tor setzte viele Emotionen frei. Ein unglaubliches Gefühl, ich war einfach nur glücklich. Besser konnte es wirklich nicht beginnen. Die lange Pause war so schwer für mich. Aber an ein Karriereende habe ich nie gedacht. Ich bin Optimist, denke immer positiv und nur von Spiel zu Spiel.

Ende März 2012, im Heimspiel gegen Bayern München, riss Ihr Kreuzband zum zweiten Mal. Wussten Sie sofort, dass es wieder solch eine schwere Verletzung ist?

Hloušek: Ich hatte kein gutes Gefühl im Knie, habe aber danach noch einige Minuten weiter gespielt. Ich habe sogar Sprints und Freistöße gemacht und dachte deshalb nicht, dass es ein Kreuzbandriss ist. Beim nächsten Zweikampf mit Philipp Lahm wusste ich aber, dass es wieder kaputt ist.

Die Verletzung überraschte damals auch viele Zuschauer, denn sie erfolgte offenbar ohne Fremdeinwirkung. Wie kam es genau dazu?

Hloušek: Soweit ich mich erinnere, lief ich Arjen Robben an und wollte dann die Richtung wechseln. Da machte es „klack“, ich weiß auch nicht, warum es so einfach passierte.

Was haben Sie gedacht, als Sie es realisierten: verflucht, schon wieder diese lange Pause?

Hloušek: Ich bin ein großer Kämpfer und wusste, dass alles wieder gut wird… (lacht) Nein, ganz ehrlich, zu 100 Prozent war ich in diesem Moment nicht davon überzeugt!

Wie lief anschließend das Reha-Programm ab?

Hloušek: Es war ja nicht nur ein Kreuzbandriss, auch der Meniskus war komplett kaputt. Dort wurde ich zuerst operiert, dann musste ich zwei Monate lang auf die Operation am Kreuzband warten. Danach war ich jeden Tag ab 8 Uhr im Reha-Zentrum des 1. FC Nürnberg. Für mich war es ein Vorteil, dass ich durch den ersten Kreuzbandriss wusste, was ich besser machen konnte. Trotzdem war es schwierig, jeden Tag aufzustehen und zu wissen, dass man bis zu sechs Stunden in der Reha bleiben muss.

Sie wollten eigentlich schon im Oktober 2012 ein Comeback starten, tatsächlich verzögerte es sich noch fast ein ganzes Jahr. Was war der Grund dafür?

Hloušek: Im Oktober war alles in Ordnung, ich war fit. Aber dann bekam ich Schmerzen im verletzten Knie, eine Entzündung, und die wurde zu einem großen Problem. Selbst beim Treppensteigen hatte ich große Schmerzen. Dieses Problem war für mich schlimmer als der Kreuzbandriss, denn es ging über drei Monate und ich wusste nicht, was ich machen sollte oder ob ich etwas falsch mache. Auch im Januar habe ich noch mit Schmerzen trainiert, an der Patellasehne und selbst im Oberschenkel, bis ich zu unserem Doktor sagte: ‚Ich kann nicht mehr, ich brauche eine weitere Operation, das Knie muss gesäubert werden.‘ Erst danach war es in Ordnung.

Haben Sie bei so vielen Schmerzen über so viele Monate nicht irgendwann die Lust auf Fußball verloren und andere Pläne für die Zukunft entwickelt?

Hloušek: Nein, Fußball ist alles für mich. Und wie gesagt: Ich bin ein Kämpfer. Ich habe lediglich Ärzte und Physiotherapeuten gefragt, ob ich etwas falsch mache. Ich musste einfach warten und darauf hoffen, dass wieder bessere Zeiten für mich kommen.

Gab es in dieser langen Zeit Aufmunterung aus der Heimat, etwa vom damaligen Nationaltrainer Michal Bílek oder von Spielern?

Hloušek: Nicht von Trainer Bílek, aber frühere Mitspieler von Slavia Prag und Jablonec haben tatsächlich immer wieder nachgefragt, wie es mir geht. Das war sehr, sehr wichtig für mich, sie sind gute Freunde. Auch Jan Morávek hat sich aus Augsburg gemeldet.

Nutzten Sie auch einen Mentaltrainer, um nicht Mut und Hoffnung während dieser langen Pause zu verlieren?

Hloušek: Ich war mein eigener Mentaltrainer! Ich bin auch in schwierigen Zeiten mental sehr stark, und ich glaube, das ist mein großer Vorteil. Aber ich wollte auch allein in meiner Wohnung sein. Ich brauchte Zeit für mich, um immer zu überlegen, was ich jetzt und am nächsten Tag machen sollte.

Hatten Sie nach einer solch schweren Verletzung im Spiel gegen Dortmund nun Angst vor jedem Zweikampf? Steckt im Kopf, dass jederzeit wieder das Gleiche passieren könnte?

Hloušek: Ich hatte vor meiner Rückkehr in die Bundesliga schon sechs Spiele bei den Club-Amateuren absolviert, das war sehr wichtig für mich, gerade wegen der Zweikämpfe. Auch wegen der Sicherheit für mein Spiel nach der langen Pause. Jetzt habe ich wieder Kraft und ein Super-Gefühl, im Training wie in der Bundesliga. Ich habe keine Angst vor Zweikämpfen, aber ich werde dabei cleverer sein. Das heißt: 100 Prozent geben, mit freiem Kopf spielen, aber auch mit Auge.

Es heißt oft, um ihre alte Form wieder zu erreichen, brauchen Spieler so lange, wie ihre Verletzung dauerte. Bei wie viel Prozent ihrer Leistungsstärke sehen Sie sich schon?

Hloušek: Fast bei 100 Prozent! Ich brauche Druck, schwierige Spiele gegen große Mannschaften und 50.000 Zuschauer, wie gegen Dortmund. Das ist besser für mich als immer nur zu trainieren. Nach meinem ersten Kreuzbandriss habe ich nur drei Freundschaftsspiele mit Slavia gespielt, dazu auf Kunstrasen, und bin dann sofort nach Kaiserslautern gewechselt, obwohl ich noch Schmerzen hatte und nur bei 60 Prozent war. Doch ich habe dort sofort gut gespielt.

Sie absolvierten bereits fünf Länderspiele für Tschechien. Ist das sechste nun ein großes Ziel?

Hloušek: An erster Stelle steht für mich, für Nürnberg zu spielen. Ob dann die Nationalmannschaft kommt, ist mir im Augenblick egal. Mein Ziel ist, gesund zu bleiben!

 

Eine Leidensgeschichte im Spiegel der Presse

Schock-Diagnose für Hloušek: Kreuzbandriss!   kicker-sportmagazin, 31.3.2012

Besuch bei Adam Hloušek in der Reha – „Im Oktober bin ich wieder da!“   Bild, 12.9.2012

Adam Hloušek: Die Rückkehr eines Langzeitverletzten   Abendzeitung, 28.1.2013

Hloušek ist wieder hochmotiviert   Nürnberger Zeitung, 12.7.2013

Adam Hloušek ist wieder komplett im Mannschaftstraining dabei   fcnclubtv, 19.7.2013

Comeback beim Club-Test bei Rapid Wien – Hloušek: „Ich bin bereit für die Bundesliga“   Bild, 6.9.2013

Hloušek feiert Comeback gleich als Torschütze   kicker.de, 15.9.2013