Blick in die Presse
Tschechische Pressekommentare zum schottischen Referendum, zur Arbeitsmigration in Europa und zur Glücksspielbranche
25. 9. 2014 - Text: Corinna AntonTextauswahl und Übersetzung: Corinna Anton
Instabiles Europa | Die Wochenzeitung „Respekt“ zieht Schlussfolgerungen aus dem schottischen Referendum vom vergangenen Wochenende: „Schottland hat gezeigt, über welch überraschend starke Energie nationale Bewegungen und das Verlangen, Grenzen neu zu zeichnen, noch immer verfügen. Wenn es möglich ist, eine 300 Jahre alte Union in dem Land mit der am tiefsten verwurzelten demokratischen Tradition ins Wanken zu bringen, ist klar, dass Europa bei Weitem nicht ein so stabiler Teil der Welt ist, wie es scheinen mag. (…) Bei seinen Versuchen, im Namen nationaler Selbstbestimmung Grenzen neu zu ziehen, beging Europa in der Vergangenheit das Schlimmste, dessen es fähig ist. Die europäische Nachkriegsordnung stützt sich auf den Versuch, die gegenwärtige Form der Staaten zu bewahren und die darin schlummernde negative Energie durch einen supranationalen Überbau einzudämmen. Die Kraft des schottischen Referendums besteht darin, dass es gezeigt hat, wie zerbrechlich diese Anordnung sein kann.“
Demografische Probleme | Die Wirtschaftszeitschrift „Ekonom“ beobachtet die Migrationsbewegungen in Europa und erklärt die mangelnde Mobilität der Tschechen: „Der freie Personenverkehr gehört zu den grundlegenden Ideen der Europäischen Union, deswegen sind Umzüge aus beruflichen Gründen eine logische Reaktion auf ein Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage nach Arbeit. Pessimisten könnten jedoch hinzufügen, dass die Deutschen ihre demografischen Probleme durch ein ,Absaugen der Gehirne und Muskeln‘ aus den wirtschaftlich weniger erfolgreichen Ländern des Kontinents lösen.“ Die wachsende Wirtschaft brauche Arbeitskräfte, so der Kommentator, daher müssten Zuwanderer die „fehlenden Deutschen“ ersetzen, die vor allem aus Polen, Rumänien, Italien, Bulgarien, Ungarn, Spanien und Griechenland kämen: „Interessant ist, dass die Tschechen zumindest bisher nicht dieser ,Migrations-Manie‘ erlegen sind. Daran hat auch die aggressive Kampagne ,Danke, wir gehen‘ nichts geändert, die von der Ärztegewerkschaft organisiert wurde. (…) Vielleicht sind wir konservativer und verlassen unser Heimatland nicht gerne, denn so handeln wir nur aus Verzweiflung, wie zum Beispiel in den Krisenjahren 1620, 1948 und 1968. Vielleicht sind wir aber auch gar nicht so schlecht dran, wie uns Medien und Pessimisten in unserem Umfeld fast jeden Tag zu überzeugen versuchen.“
Umfassende Lösung | Die kommunalen Initiativen gegen Glücksspiel reichen nicht aus, meint die Prager „Hospodářské noviny“ und fordert ein besseres Konzept: „Tschechien war jahrelang ein Glücksspielparadies, jetzt ist es auf den unversöhnlichen Kampf dagegen umgeschwenkt. In Gemeinden finden Abstimmungen über eine Nulltoleranz gegen Glücksspiel statt, wer nicht gegen die ,Glücksspiel-Maffia‘ auftritt, hat vor den Kommunalwahlen keine Chance. Das ist verständlich, aber keineswegs unproblematisch. (…) Welche Probleme eine Nulltoleranz bringt, zeigte am Wochenende ein Referendum in Prag 10. Die absolute Mehrheit sprach sich für die Nulltoleranz aus, aber längst nicht alle von ihnen sind bereit, die Konsequenzen zu tragen. Auf die Frage, ob der Stadtbezirk die Defizite bei den Beiträgen für den Jugendsport, die nach der Stilllegung der Herna-Bars entstehen, aus seinem Haushalt decken soll, antworteten deutlich weniger Menschen positiv. (…) Die nicht bedachten Folgen kann man nicht den Bürgern vorwerfen (…). Den Politikern aber schon. Von ihnen sollten wir eine systematische, funktionierende Lösung ohne Populismus verlangen. Aus vielen Gründen brauchen wir statt lokaler Verbote eine durchdachte Politik, die sich auf gesamtstaatlicher Ebene mit Glücksspiel befasst.
„Wie 1938“
„Unterdurchschnittlich regiert“