„Bei mir bleibt Kafka Kafka“

„Bei mir bleibt Kafka Kafka“

David Z. Mairowitz macht aus literarischen Klassikern Comics. Auf dem „KomiksFEST“ zeigt er, was er aus „Das Schloss“ gemacht hat

23. 10. 2013 - Interview: Vanessa Weiss

Als Erzählform wird der Comic noch immer unterschätzt – ein Irrglaube, meint David Zane Mairowitz. Seit Anfang der Neunziger adaptiert der US-amerikanische Schriftsteller, Hörspieldramaturg und -regisseur literarische Klassiker. Dabei kehrt er immer wieder zu Franz Kafka zurück. Ergebnis: eine Comic-Biografie und „Der Process“ und „Das Schloss“ als Graphic Novel. Im Rahmen des Prager Comic-Festivals „KomiksFEST“ präsentiert Mairowitz gemeinsam mit dem Zeichner Jaromír 99 die tschechische Version von „Das Schloss“. Wie man Kafka mit Sprechblasen versieht, das verriet Mairowitz im Gespräch mit PZ-Mitarbeiterin Vanessa Weiss. Eines war dabei schnell klar: Umschreiben würde er Kafka nie.

Herr Mairowitz, Sie waren einer der Ersten, die sich schon in den neunziger Jahren mit literarischen Comic-Adaptionen beschäftigten. Wie kam es dazu?

David Zane Mairowitz: Ich habe damals für einen englischen Verlag geschrieben. Die hatten eine bekannte Serie, die „For Beginners“ hieß. Die Idee dabei war, berühmte Philosophen und Schriftsteller in Comic-Form zu präsentieren, um junge Leute zu motivieren, sich mit den komplizierten Werken auseinanderzusetzen. Nach Wilhelm Reich und Albert Camus kam die Idee, sich mit Franz Kafka zu beschäftigen. Vor fünf oder sechs Jahren hat mich dann ein anderer Verlag gefragt, ob ich „Der Process“ als Graphic Novel adaptieren möchte.

Was macht Franz Kafkas Werke für Comic-Adaptionen so interessant?

Mairowitz: Franz Kafka ist ein großer Name. Er ist ein Schriftsteller, der in seinen Werken ganz starke Bilder produziert. Ich denke, dass er so die Arbeit des Zeichners schon vorbereitet, bevor sich der Zeichner überhaupt mit seinen Werken beschäftigt hat. Wenn jemand eines Morgens mit dem Körper eines Ungeziefers aufwacht, dann haben wir etwas, das sehr gut in einem Comic umgesetzt werden kann. Das macht ihn so interessant.

Welche Anforderungen stellen Comic-Adaptionen, wie die von Kafkas „Schloss“, an Sie?

Mairowitz: Der Schwerpunkt der Arbeit liegt auf dem Kürzen des literarischen Werkes. Ein grafischer Roman von 120 Seiten kann natürlich nicht das komplette Ursprungswerk umsetzen. Man muss einen Weg finden, so zu kürzen, dass der dramaturgische Faden nicht verloren geht und gleichzeitig Szenen finden, die sich für eine zeichnerische Umsetzung eignen. In Kafkas Roman „Das Schloss“ gibt es in der Mitte eine fast 70 Seiten lange Passage, eine Geschichte, die sich endlos fortsetzt. Da kann ich den Inhalt von höchstens 10 Seiten behalten. Sonst wäre das zu viel. Allerdings würde ich diesen großen Schriftsteller nie umschreiben. Das ist überhaupt nicht meine Aufgabe. Der Text ist von Kafka.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit dem Illustrator?

Mairowitz: Wenn ich mich mit einem Werk beschäftige, habe ich eine Dramaturgie im Kopf. Dann mache ich ein Storyboard, Seite für Seite, wie bei einem Film. Das sind Vorschläge wie eine Seite aufgebaut sein soll, ob sie beispielsweise mit oder ohne Sprechblasen auskommen kann. Das Storyboard bekommt dann der Zeichner. Der kann das natürlich bearbeiten. Allerdings bin ich immer derjenige, der den ersten Schritt macht.

Bei Ihrer aktuellen Adaption?

Mairowitz: Da habe ich sofort an den Zeichner Jaromír 99 gedacht, weil der auch mit Prag zu tun hat. Er hat meine Vorschläge in seinen schwarz-weiß-grauen Stil übernommen. Es sind wunderbare Bilder.

Was kann der literarische Comic, was das Original nicht kann?

Mairowitz: Ich sag es mal ganz einfach: Zeigen (lacht). In „Kafka for Beginners“ habe ich eine Szene aus „Die Verwandlung“ mit dem amerikanischen Zeichner Robert Crumb adaptiert. Dort ist das Ungeziefer verbildlicht. Es ist bekannt, dass Kafka es nicht auf dem Titelblatt des Romans wollte. Für eine Comic-Adaption ergibt das keinen Sinn, denn man verbildlicht dort die Vorstellung des Schriftstellers. Allerdings wird man ihm damit nicht untreu, man erweckt seine Worte zum Leben. Bei mir bleibt Kafka Kafka. Dostojewskis „Schuld und Sühne“ haben der Zeichner und ich in die Gegenwart geholt, in der man Punks auf der Straße und Wladimir Putin im Fernsehen sieht. Ich habe gemerkt, dass in diesem Roman, auch wenn er im 19. Jahrhundert geschrieben wurde, so viel Aktuelles steckt. Der Text bleibt derselbe, aber die Bilder sind aktuell.

„KomiksFEST“
Bereits zum achten Mal präsentiert das „KomiksFEST“ von 30. Oktober bis 3. November den Comic als junges und dynamisches Medium. Unter dem Motto „Comics unlimited!“ sollen Buchpräsentationen, Filme, Theaterproduktionen, Ausstellungen und Preisverleihungen klar stellen: Comic-Erzählungen werden nur durch die eigene Vorstellungskraft eingeschränkt.

Pérák – The name doesn’t matter, actions speak louder than words!
Die Theatergruppe „Vosto5“ zeigt die akrobatische Geschichte des legendären Superhelden Pérák, der im Protektorat mit Federn an den Füßen gegen die Nazis kämpft.

Dienstag und Mittwoch, 29. und 30. Oktober, 20 Uhr, Divadlo Archa (Theater Archa), Na Poříčí 2, Eintritt: 250 CZK

Literarisch-musikalisches Projekt KAFKA
Die Präsentation der tschechischen Comic-Adaption von Kafkas „Das Schloss“, musikalisch untermalt von der Kafka-Band.

Donnerstag, 31. Oktober, 20 Uhr, Experimentální prostor NoD, Dlouhá 33, Eintritt: 150 CZK

Lorenzo Mattotti – Oltremai (Vernissage)
Mythische Gestalten werden in Lorenzo Mattottis düsterer Welt „Oltremai“ mit dynamischen Pinselstrichen in gruselige Landschaften versetzt.

Freitag, 1. November, 18 Uhr, Italienisches Kulturinstitut, Šporkova 14, Eintritt frei, bis 22. November