Ausgang offen

Verträge zur Kirchenentschädigung unterschrieben – Urteil des Verfassungsgerichts steht weiterhin aus

27. 2. 2013 - Text: Ivan DramlitschText: id/čtk; Foto: evangelisch.de

Tschechiens Regierungschef Petr Nečas (ODS) hat am vergangenen Freitag die Verträge über die finanzielle Entschädigung der Kirchen und Religionsgemeinschaften unterschrieben. Damit ist ein jahrelanges politisches Konfliktthema formal abgeschlossen worden. Allerdings nur vorläufig, denn aufgrund mehrerer Verfassungsbeschwerden droht ein juristisches Nachspiel.

Tschechien ist das letzte Land des ehemaligen Ostblocks, das die Frage der Kirchenentschädigung geregelt hat. Zwar war das Thema bereits seit 1990 Bestandteil der politischen Agenda, aber erst im November 2012 verabschiedete das tschechische Parlament ein entsprechendes Gesetz. Die jetzt zwischen Staat und insgesamt 16 Kirchen unterschriebenen Verträge betreffen die finanzielle Entschädigung. Danach erhalten die Religionsgemeinschaften innerhalb der nächsten 30 Jahre insgesamt 59 Milliarden Kronen (ca. 2,4 Milliarden Euro) zuzüglich Inflationsausgleich. Den größten Teil davon bekommt die katholische Kirche: 47,2 Milliarden. Der Staat wird im Gegenzug allmählich seine Zuschüsse zur Kirchenfinanzierung einstellen. Das Gesetz sieht darüber hinaus eine Eigentumsrückgabe in Höhe von rund 75 Milliarden Kronen vor. Die Kirchen müssen jedoch belegen, dass das betreffende Eigentum zwischen Februar 1948 und dem 1. Januar 1990 konfisziert wurde.

Laut Premier Nečas stellt die erzielte Einigung einen Akt der Gerechtigkeit dar. „Mit diesem Schritt wird ein Teil des Unrechts wiedergutgemacht, das den Kirchen und Religionsgemeinschaften während des kommunistischen Regimes widerfahren ist. Gleichzeitig gibt es jetzt eine Basis für neue, moderne Beziehungen zwischen Staat und Kirche“, erklärte der Regierungschef nach der Vertragsunterzeichnung. Auch Kirchenvertreter zeigten sich mit dem Ergebnis zufrieden. Der erzielte Ausgleich werde es den Kirchen unter anderem ermöglichen, gesellschaftlich relevante Aufgaben weiterzuentwickeln. Dazu gehören Hospize und Krankenhäuser, Bildungsaufgaben oder aber die Pflege des kulturellen Erbes, so die Tschechische Bischofskonferenz in einer Reaktion auf die Vertragsunterzeichnung.

Heftige Kritik kam von den oppositionellen Sozialdemokraten, den Kommunisten sowie Vertretern der Partei „Věci veřejné“ (VV). Parlamentarier aller drei Parteien hatten bereits im Vorfeld Verfassungsbeschwerde gegen das Entschädigungsgesetz eingereicht; allerdings zu spät, um noch vor Vertragsunterzeichnung eine Entscheidung des Verfassungsgerichts herbeizuführen. Auch eine am vergangenen Donnerstag von den Sozialdemokraten kurzfristig beantragte einstweilige Verfügung konnte den Vertragsabschluss nicht mehr verhindern. Dass die Regierung Nečas mit der Unterschrift nicht bis zur verfassungsrechtlichen Klärung gewartet hat, veranlasste nicht nur den neu gewählten Präsidenten Zeman zu Kritik.

Auch das Verfassungsgericht reagierte irritiert: Das Vorgehen der Regierung sei zwar formaljuristisch nicht zu beanstanden, doch wäre es „korrekt und verantwortlich“ gewesen, die Entscheidung der höchsten Richter abzuwarten, so der Generalsekretär des Verfassungsgerichts Tomáš Langášek. Premier Nečas sieht dem Verfahren gelassen entgegen: „Das Gericht wird mit Bedacht, weise und gerecht vorgehen und deshalb dieses Gesetz bestätigen.“ Verfassungsgerichtspräsident Pavel Rychetský äußerte sich zum Ausgang allerdings sehr viel vorsichtiger: „Darauf kann heute niemand eine Antwort geben. Es gibt keinen Präzedenzfall.“