Alles hört auf „Großpapa“

Alles hört auf „Großpapa“

Wie der deutsche U21-Trainer Horst Hrubesch seinen Erfolg in Tschechien wiederholen will

17. 6. 2015 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Deutsche Schule Prag

Tschechien ist ein tolles Pflaster für ihn. Hier beendete Horst Hrubesch im Juli 2008 eine ungewöhnliche Durststrecke des erfolgsverwöhnten deutschen Fußballs. 16 Jahre lang hatte eine Junioren-Auswahl des DFB keinen Titel mehr geholt, bis Hrubesch die deutsche U19 im Finale von Jablonec zur Europameisterschaft führte – eine seiner größten Leistungen als Trainer.

Zu den Siegern zählten damals Torhüter Ron-Robert Zieler sowie die Mittelfeld-Zwillinge Lars und Sven Bender, die längst zu Nationalspielern gereift sind. Im Halbfinale schlug die deutsche Elf Gastgeber Tschechien mit 2:1 nach Verlängerung, dessen Stürmer Tomáš Necid Torschützenkönig des Turniers wurde und danach ebenfalls in der tschechischen Nationalelf spielte.

Schon bei dieser EM 2008 stellte Hrubesch eine spezielle Begabung unter Beweis: Er kann eine Gruppe zusammenschweißen und hoch veranlagte Spieler zu Siegertypen formen. Daran verzweifelte selbst Bundestrainer Joachim Löw lange, bis er endlich letztes Jahr mit der A-Elf die Weltmeisterschaft in Brasilien gewann.

Talent für Talente
Sein besonderes Talent für Talente bewies Hrubesch erneut 2009, als er mit der U21 Europameister in Schweden wurde. „Die Siegermentalität, die uns stark macht, lebt er uns vor“, lobte ihn der damalige Kapitän und heutige Weltmeister Sami Khedira. Sechs Spieler jenes U21-Jahrgangs (Neuer, Hummels, Boateng, Höwedes, Khedira, Özil) bilden mittlerweile das Korsett der „großen“ Nationalmannschaft und erlebten letztes Jahr das WM-Finale von Rio.

Nun will Hrubesch bei der EM 2015 in Tschechien seinen nächsten Pokal holen. „Wenn man den Kader sieht, sagt man natürlich: Mit dieser Qualität musst du um den Titel spielen“, erklärte er unumwunden bei der Bekanntgabe seines Aufgebots. Für einen Erfolg dieser aktuellen Generation spreche, dass Deutschland „sehr viel Charakter im Team“ habe. „Das Zusammengehörigkeits­gefühl ist sehr groß.“

Umgekehrt stellt sich jedoch die Frage: Ist Hrubesch auch der richtige Trainer für diese Auswahl? Seine Schutzbefohlenen sind U 21, oder wenige Jahre älter. Horst Hrubesch ist dagegen Ü 60, sogar schon 64. Er könnte leicht ihr Großvater sein.

Der große Altersunterschied sei kein Problem, hört man aus DFB-Kreisen. Hrubesch erreiche nach wie vor seine jungen Spieler. Dabei setze er vor allem auf Ehrlichkeit und seinen Fußball-Sachverstand. „Man muss mit den Spielern leben, sonst nehmen sie es einem nicht ab“, erläutert der einstige Torjäger. Sein wichtigstes Erfolgsrezept: Teamwork. Hrubesch duldet keine persönlichen Eitelkeiten. „Ich stehe zu meinen Spielern“, sagt Horst Hrubesch, „aber ich erwarte das Gleiche von ihnen.“

Der U21-Trainer beherrscht eine klare Teamführung, der alles unterzuordnen ist. Erleichtert wird ihm, dass „die Spieler ja alle reichlich Erfahrung im Profi­bereich haben“ und er sie meist aus prominenten Vereinen berufen kann. Seine vorrangige Aufgabe sei dann, die Selbständigkeit der Mannschaft zu fördern.

„Du musst alle verantwortlich machen“, lautet ein weiteres Credo des gelernten Dach­deckers aus dem westfälischen Hamm, „und diese Verantwortung müssen die Spieler auch annehmen, schließlich wollten sie ja zu diesem Turnier.“ Eigenverantwortung also. Letztlich sei alles eine Sache des Willens der gesamten Mannschaft, so Hrubesch.

Für sein Ansehen innerhalb des Kaders verfügt Hrubesch über einen großen Trumpf: Die eigene Karriere und seine Erfolge verschaffen ihm eine natürliche Autorität. Welcher junge Spieler wollte schon einem Übungsleiter widersprechen, der Deutschland mit seinen beiden Toren im Finale 1980 zum Europameister machte und drei Jahre später als Kapitän seines HSV den Europapokal der Landesmeister in die Höhe stemmte, die heutige Champions-League-Trophäe? Und der darüber hinaus mit Hamburg 1979, 1982 und 1983 Deutscher Meister wurde und 1982 auch Torschützenkönig der Bundesliga.

Schritt für Schritt
Als aktiver Spieler umdribbelte Hrubesch das diesjährige EM-Gastgeberland mehrfach. Zwischen April 1980 und dem WM-Endspiel im Juli 1982 absolvierte er 21 Länderspiele. In dieser Zeit traf Deutschland zweimal auf die Tschechoslowakei. Doch ausgerechnet in diesen Partien fehlte der Mittelstürmer: bei der EM-Endrunde am 11. Juni 1980 in Rom (obwohl er alle anderen Spiele bis zum Titel bestritt) wie auch am 14. April 1982 zur Vorbereitung auf die WM in Spanien, bei der Hrubesch mit der deutschen Elf im Finale gegen Italien stand.

Der kantige Stürmer hatte eine besondere Stärke. „Im Kopfballspiel war Hrubesch ein Phänomen“, zeigte sich HSV-Idol Uwe Seeler, einst selbst ein international gefürchteter Torjäger, ziemlich beeindruckt.
Bis heute hält sich daher sein Spitzname „Kopfball-Ungeheuer“. Und Hrubesch kultivierte dieses Markenzeichen mit knappen Sprüchen wie „Manni Banane, ich Kopf – Tor.“ Wobei Manni der Außenverteidiger Kaltz und Banane dessen Flanken von rechts waren.

Trotz seiner beeindruckenden Ergebnisse als Trainer von DFB-Juniorenteams zeigte die Bundesliga nie großes Interesse an Hrubesch. Obwohl er 2009 sogar zum „Trainer des Jahres“ in Deutschland gewählt wurde, verpflichtete ihn lediglich Dynamo Dresden (November 1994 bis Februar 1995) in der höchsten Klasse.

Auch für die anstehende EM wird Hrubesch vorgeben, was er schon lange erkannt hat: „Bei einer K.-o.-Runde eines Turniers darf man sich keine Aussetzer mehr erlauben. Wenn es drauf ankommt, muss man seinen Weg gefunden haben.“

Dafür müsse man genau wissen, was man vorhabe. Hat man einmal in einem Spiel einen schlechten Start, müsse eine klare Hierarchie vorgegeben sein. „Einfache Pässe. Zweikämpfe gewinnen. Dafür muss es drei, vier Leute in einer Mannschaft geben“, sagt Hrubesch.

Sein großer Traum seien noch einmal die Olympischen Spiele, hatte der Trainer schon vor einiger Zeit formuliert. Und sein großes Ziel der EM-Titel. „Aber wir werden es Schritt für Schritt angehen, alles andere hat keinen Sinn.“

Der passionierte Pferdezüchter und Angler, der aus Mangel an Fachliteratur selbst Buchautor über „Dorschangeln“ wurde, will sich dabei zurücknehmen. „Einen Titel gewinnst du nicht als Trainer. Du bist dabei. Den Titel gewinnt die Mannschaft.“ Wahrheiten à la Hrubesch.