Absage an Brüssel

Absage an Brüssel

Parlament lehnt europaweite Frauenquote für Aufsichtsräte ab

28. 3. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Victor 1558

Im November 2012 beschließt die EU-Kommission, ab 2020 den Anteil von Frauen in Aufsichtsräten europaweit auf 40 Prozent festzuschreiben. Knapp ein halbes Jahr später spricht sich das tschechische Parlament klar gegen diese Initiative aus. Zuvor hatten sich bereits andere Länder, darunter Deutschland und Polen, gegen die europaweite Frauenquote ausgesprochen. Der Sejm hatte bereits im Januar erklärt, das Vorhaben widerspreche dem Subsidiaritätsprinzip. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte zum Nein aus Berlin, es sei „nicht die Aufgabe von Brüssel, den Mitgliedsstaaten vorzuschreiben, wie private Unternehmen ihre Führungsgremien zu besetzen haben.“

Laut EU-Justizkommissarin Viviane Reding sollten die rund 5.000 börsennotierten Unternehmen in der EU zwei von fünf Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzen. Ihr Vorschlag ist nun endgültig vom Tisch. Die meisten Mitgliedsstaaten wollen ihn nicht ratifizieren, Brüssel wird also erneut darüber beraten. In einer am Freitag veröffentlichten Erklärung kritisierte der tschechische Senat: „Der Entwurf betrifft ausschließlich Mitglieder der Aufsichtsräte von Börsenunternehmen, wodurch der tatsächliche Einfluss auf die Gleichstellung von Frauen und Männern erheblich eingeschränkt ist.“ Redings geforderte Frauenquote verfehle nicht nur ihr Ziel, sondern sei auch unvereinbar mit den unterschiedlichen Bestimmungen in den EU-Mitgliedsstaaten und den Rechten der Aktionäre. Senator Antonín Maštalíř (ČSSD) erklärte, die Gleichstellung von Frauen und Männern müsse zunächst auf politischer Ebene erfolgen. Miloš Vystrčil, stellvertretender Vorsitzender der ODS-Senatorengruppe, wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass selbst die Europäische Kommission an der eigenen Quote scheitere. Unter den 27 Kommissionsmitgliedern befinden sich nur neun Frauen, was einem Anteil von 33 Prozent entspricht.

Flexibilität gefragt
Tschechiens Wirtschaft liegt noch weiter entfernt von dieser 40-Prozent-Marke: Laut einer Statistik der Europäischen Kommission waren Anfang 2012 nur 15 Prozent Frauen in leitenden Positionen der größten Unternehmen des Landes zu finden. Der europäische Durchschnittswert lag bei 14 Prozent.
Auf die kritisierte Frauenquote und deren schwieriger Umsetzung angesprochen, erklärte die österreichische Europaabgeordnete Evelyn Regner (SPE), „es ist auf jeden Fall eine Herausforderung und wir sollten flexibel bleiben.“ „Wenn ein Unternehmen zum Beispiel Produkte für Männer herstellt und dort viele Männer arbeiten, würde es keinen Sinn ergeben, dass der Vorstand aus 30 Prozent Frauen besteht“, sagt Regner. In ihrem Heimatland ist die Gleichstellung von Frauen und Männern – im Gegensatz zu Tschechien oder Deutschland – teilweise gesetzlich geregelt. So gibt es bereits seit 1993 eine Frauenquote für den öffentlichen Dienst, die vor wenigen Jahren von 40 auf 45 Prozent erhöht wurde. Doch Frauen in leitenden Positionen börsennotierter Unternehmen, auf die in Brüssel besonders geachtet wird, sind in Österreich noch seltener anzutreffen als in Tschechien.

Der Vorsitzende des Frauenrechtsausschusses im Europäischen Parlament Mikael Gustafsson (GUE/NGL) verteidigt den Vorstoß aus Brüssel: „Heute haben wir eine informelle Männerquote. Männer ernennen Männer, die dann wiederum Männer als Nachfolger aussuchen.“ Dieser Kreislauf müsse unterbrochen werden.