Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zu einem peinlichen Urteil, miserablen Autofahrern und einer drohenden Pleite

7. 5. 2015 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach; Foto: APZ

Miserable Fahrer | Die Prager „Wirtschaftszeitung“ kritisiert die vom Parlament abgesegnete Erhöhung der maximalen Geschwindigkeit auf 150 km/h auf Autobahnen: „Wenn im bislang geschwindigkeitsmäßig ‚freien‘ Deutschland irgendein Politiker mit dem Vorschlag kommt, die Geschwindigkeit zu begrenzen, führt er immer die Erhöhung der Sicherheit auf den Straßen an. Dabei zählen die Deutschen weltweit zu den sichersten Fahrern. Im Land, wo starke Autos heilig sind und wo die Losung ‚Freie Fahrt für freie Bürger‘ gilt, kommt es niemandem in den Sinn, eine Anhebung der Geschwindigkeitsbegrenzungen zu fordern. In Tschechien, wo wir miserable Autobahnen haben und miserable Fahrer, ergreifen dagegen die Politiker dazu die erstbeste Gelegenheit.“

Peinliches Urteil | Die Tageszeitung „Právo“ kommentiert unterschiedliche Bewertungen des Kriegsendes vor 70 Jahren: „Am peinlichsten ist das Urteil, das Ende des Krieges sei für die Tschechoslowakei keine Befreiung gewesen, sondern die Rote Armee habe unsere Republik erobert. Da hätten wir allerdings auf der Seite Deutschlands kämpfen müssen. Hier wird das Kriegsende mit der Nachkriegszeit durcheinander gebracht, als die Sowjetunion sich für eine Erweiterung ihres Einflusses stark machte. Das heißt nun nicht, dass die Entwicklung nicht hätte anders für uns verlaufen können, als es dann kam. Beispiele sind Finnland, Österreich und Jugoslawien, ferner die dann folgende Entwicklung in Ungarn, Polen und Rumänien. Es kam auf die innenpolitischen Bestrebungen an, die westlichen Verbündeten griffen nur ideologisch in dieses Geschehen ein.“

Drohende Schlappe | Die Tageszeitung „MF Dnes“ des Finanzministers Andrej Babiš macht sich Sorgen um demokratische Prinzipien, aber nicht etwa in Tschechien, sondern in der fernen Türkei: Präsident Erdoğan „ist kein überparteiliches Staatsoberhaupt, wie es der Verfassung entspräche. (…) Er verfolgt das Ziel, dass die Partei AKP in den Juniwahlen eine Mehrheit für Verfassungsänderungen gewinnt, die die präsidentiellen Zuständigkeiten auf Kosten der Regierung verstärken würden. Daran wäre sicher nichts auszusetzen, wenn diese Änderungen mit der Einführung von Sicherungen einhergingen, so dass das Staatsoberhaupt seine Stellung nicht missbrauchen kann. Aber Erdoğan hat nichts dergleichen im Sinn. Hier liegt die Parallele mit Putin. Falls ihm das Wahlmanöver gelingt, erleidet die Demokratie in der Türkei eine Schlappe.“

Stellvertreterkrieg | Die Zweimonatszeitschrift „Listy“ spricht sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus:
„… Einstweilen zögern die westlichen Regierungen trotz der dringlichen Bitten aus der Ukraine mit der offiziellen Lieferung von Waffensystemen. Nicht zu reden davon, dass Regierungen, die andere Länder mit Waffen versorgen, vor allem auf nicht-kommerzieller Basis, beschuldigt werden können, einen Stellvertreterkrieg zu führen, also einen Krieg für eigene Interessen mithilfe der Soldaten jener Staaten. Die Eskalation wird ein schlechtes Ende haben. Das atomare Patt muss nicht ewig halten. Auch den präventiven Gebrauch von Kernwaffen haben die Russen und die Amerikaner in ihren Militärdoktrinen verankert.“