Kommentar: Chuzpe

Kommentar: Chuzpe

Wie man einen Interessenkonflikt harmonisch auflöst

16. 12. 2015 - Text: Josef FüllenbachText: Josef Füllenbach; Foto: Nord Stream

 Allmählich lichtet sich der Nebel etwas, der die merkwürdige Entscheidung der tschechischen Regierung umgibt, sich dem von der Slowakei und fünf weiteren mittel- und osteuropäischen Ländern an die Kommission gerichteten Protestbrief gegen die Erweiterung der Nord-Stream-Gasleitung nicht anzuschließen. Bislang war man doch auch in Prag der festen Ansicht, dass dieses Projekt den Interessen Ostmitteleuropas und der Ukraine zuwiderlaufe sowie dem EU-Ziel der Diversifizierung widerspreche.

In der entscheidenden Kabinettsitzung Anfang Dezember erklärte sich Finanzminister Babiš in der Frage befangen: Zwei der zu seinem Konzern Agrofert gehörenden Firmen seien nämlich in Deutschland und der Slowakei Großabnehmer von Gazprom. Und da einige sozialdemokratische Minister durch Abwesenheit glänzten, kam die von Sobotka und seiner ČSSD angestrebte Unterzeichnung mangels Beschlussfähigkeit nicht zustande.

Indem er einen Interessenkonflikt geltend machte, erreichte Babiš im Ergebnis also die Entscheidung, die seinem privaten Geschäftsinteresse entspricht. Ein besseres Beispiel für Chuzpe dürfte sich schwerlich finden lassen. Ob Babiš die Wirkung seiner Befangenheitserklärung gegenüber dem verdatterten Sobotka mit einem spitzbübischen Grinsen auskostete, ist nicht überliefert, liegt aber nahe.