Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zur Eurokrise

16. 7. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

 

Protektorat | Wie die meisten Blätter beschäftigt sich auch die „Lidové noviny“ mit der Brüsseler Vereinbarung zur Eurokrise: „Es lässt sich nicht übersehen, dass sich das europäische Protektorat festigt (…). Griechenland wird alles reformieren müssen, angefangen von der Mehrwertsteuer über die Renten und die Justiz bis zum Statistikamt (…). Es geht nicht bloß darum, dass es die diktierten Regeln übernehmen muss. Der Schlüssel für die Gewährung von Krediten wird ihre Umsetzung sein, sagt das Dokument. (…) Es geht wirklich um ein Protektorat, was prinzipiell schlecht ist. Aber welche Alternative soll man wählen, damit es im Prinzip im praktischen Leben gut ist? Wie anders die Griechen in der Eurozone halten, wenn sie selbst es wollen? Guter Rat ist da teuer.“

Inakzeptables Verhalten | Die „Hospodářské noviny“ verteilt Kritik auf beide Seiten: „Wenn wir auf die Liste der Reformen und Einsparungen schauen (…), stellen wir fest, dass Athen vieles davon schon längst hätte machen sollen. (…) Und es handelt sich um Reformen, die der griechischen Wirtschaft guttun. Wie sich aber vor allem Deutschland gegenüber Griechenland verhalten hat, ist inakzeptabel. Sicher, Syriza versuchte ihre Partner nur zu erpressen und setzte darauf, dass sie ‚weich werden‘, die Bedingungen abmildern und Griechenland weitere Kredite zuschlagen ohne die Notwendigkeit größerer Anstrengungen. Diese Wahrheit wird aber von der Tatsache getrübt, dass Deutschland selbst Vorschläge vorlegte, die evident illegal und/oder unsinnig sind. Die Idee eines zeitweiligen, fünfjährigen Austritts aus der Eurozone und die Forderung nach der Überführung staatlichen Eigentums von 50 Milliarden Euro (fast ein Drittel des griechischen BIP!) in einen Sonderfonds außerhalb Griechenlands hätten nie laut werden sollen. Da kann es hundertmal richtig sein, dass die Griechen an ihrer Misere großenteils selber schuld sind.“

Leere Formeln | Die Tageszeitung „Právo“ sieht einen Widerspruch zwischen der soeben von der Regierung verabschiedeten außenpolitischen Konzeption und der konkreten Haltung zu Griechenland, da als Überbrückungshilfe ein Kredit aus dem älteren, von allen 28 EU-Staaten garantierten Fonds EFSM gewährt werden soll. „Tschechien lehnt es ab, Griechenland einen möglichen Kredit zu gewähren, und ist auch zu keinem direkten Kredit bereit. (…) Öffnen wir nun die neue außenpolitische Konzeption, finden wir dort Formulierungen wie: ‚Die Kohäsionspolitik ist Ausdruck der europäischen Solidarität, zu der sich unsere Außenpolitik dauerhaft bekennt.‘ Diese Formeln warten darauf, mit Leben gefüllt zu werden.“

In vierzig Jahren | Das Wochenblatt „Echo“ sorgt sich um die Auswirkungen auf die osteuropäischen EU-Mitglieder: „Falls die europäischen Führer die griechischen Schulden erlassen und neue Kredite gewähren, dann werden die Geldautomaten in Athen und Thessaloniki auch von den Letten und Slowaken gefüllt, die bedeutend ärmer als die Griechen sind. (…) Warum einem System beitreten oder darin bleiben, das von den Armen zu den Reichen umverteilt, ehrbare Arbeit bestraft und Leichtfertigkeit belohnt? Ganz klar hat das der polnische Ex-Premier Jaroslav Kaczyński gesagt. Sein Land unterschrieb ebenso wie Tschechien die Verpflichtung, in Zukunft den Euro einzuführen. In Reaktion auf das griechische Referendum machte Kaczyński darauf aufmerksam, das könne auch erst in vierzig Jahren sein.“

Hinausgeworfenes Geld | In der Wochenzeitschrift „Týden“ kommentiert der frühere Präsident Václav Klaus: „Wann endlich verstehen die europäischen Politiker, dass sie es den Griechen ermöglichen müssen, sich des ‚Schraubstocks‘ der einheitlichen Währung zu entledigen? (…) Es genügt eines: die Entscheidung, Griechenland aus der Eurozone zu entlassen. Unsere Erfahrung mit der Teilung der Tschechoslowakischen Krone sagt, dass es sich um keine komplizierte Aufgabe handelt. Ein kleines Team von Leuten, die damals bei uns dabei waren, könnte nach Griechenland ‚auf Brigade‘ gehen, aber die Griechen schaffen das sicher alleine. Danach möge jeder für sich selber sehen, wie er den Griechen solidarisch helfen möchte. Der Versuch zu helfen, ohne die Unerlässlichkeit der griechischen Rückkehr zur Drachme anzuerkennen, ist hinausgeworfenes Geld.“