Blick in die Presse

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Tschechische Pressekommentare zum Lebensstandard und zur russischen Sicht auf die Besetzung der Tschechoslowakei 1968

17. 6. 2015 - Text: Josef FüllenbachTextauswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Tschechischer Traum | Die Prager „Hospodářské noviny“ sieht den Lebensstandard in Tschechien noch lange deutlich hinter Deutschland und Österreich zurückbleiben. „Eine der Ursachen für das langsame Aufholen des reichen Westens (…) ist auch die Art und Weise, mit der wir die europäischen Fördermittel verwenden (…). Wir sind im Ausnutzen der EU-Fonds fast die schlechtesten, daran haben alle Kabinette ihren Anteil, angefangen bei Paroubek über Nečas bis zu Sobotka. (…) Tschechien stolpert hinter dem entwickelten Westen vor allem deshalb her, weil es nicht effektiv, zu Gunsten der wirtschaftlichen Entwicklung der Firmen und öffentlicher Einrichtungen, mit dem Geld umgehen kann, welches es zur Disposition hat oder haben kann, aus welchen Budgets auch immer. So lange wir das nicht lernen, wird der tschechische Traum vom deutschen oder österreichischen Lebensstandard nur eine postkommunistische Illusion bleiben, die am Anfang des Märchens vom Fall des Kommunismus und der neuen alten Welt des Kapitalismus stand.“

Ein europäisches Thema | Das Monatsmagazin „Reporter“ wendet sich scharf gegen die aktuelle Einschätzung der Besetzung der Tschechoslowakei 1968 als „brüderliche Hilfe“ durch das offizielle russische Fernsehen: „Es ist notwendig, die Russen zu einer klaren Stellungnahme zu bewegen. (…) Präsident Zeman und sein Vorgänger Klaus begegnen Putins Regime freundlich. Zeman hat die Dokumentation verurteilt, aber beide sollten sich bei Putin anmelden – sicher wird er sie empfangen – und mit Nachdruck eine klare Position zum August 1968 verlangen. Sie brauchen ihm nichts zu erklären, die Ereignisse jener Zeit kennt er als ehemaliger KGB-Offizier in Ostdeutschland persönlich.“ Am besten wäre es aber, wenn die Mission „auch von der Führung der EU unterstützt würde, genauer: von allen europäischen Staaten. Die russische Aggression zielt auf ganz Europa. (…) Man muss ihnen sagen: Euer nächster Schritt bedeutet keineswegs nur einen Zusammenstoß mit der Bevölkerung eines schlecht gerüsteten kleinen Staates an der Peripherie, sondern mit der riesigen und mächtigen Militärmacht, über die wir Europäer verfügen.“ Und mit Blick auf das Münchner Abkommen von 1938 sei es „an der tschechischen Politik, das große Thema, dass die Großen die Kleinen fressen, auf die Agenda zu heben und daraus ein europäisches Thema zu machen.“