Blick in die Presse

Blick in die Presse

Tschechische Pressekommentare zum tschechischen Verteidigungsetat, zur Fremdsprachenkompetenz von Politikern und zur politischen Situation in Italien

10. 9. 2014 - Text: Josef FüllenbachAuswahl und Übersetzung: Josef Füllenbach

Kein Trittbrettfahrer | Die Prager „Hospodářské noviny“ mahnt nach dem NATO-Gipfel und unter Hinweis auf die Verpflichtung, bis 2020 für die Verteidigung zwei Prozent des BIP bereitzustellen, es sei „eine grundlegende Herausforderung für unsere politischen Repräsentanten zu gewährleisten, dass Tschechien seine Verpflichtungen erfüllt und in der NATO kein Trittbrettfahrer ist. (…) Diese Ausgaben sind nicht nur eine gute langfristige Investition, sondern vor allem eine prinzipielle Verantwortung des Staates. Eine Verantwortung gegenüber seinen Bürgern und der Sicherheit der Allianz, in der wir zum Glück schon 15 Jahre Mitglied sind, woran wir uns gerade jetzt erinnern sollten.“

Anderen in die Tasche greifen? | Die Tageszeitung „Právo“ wirft zum gleichen Thema ein: „Jeder Politiker, der sich aufrichtig und besorgt dem Ruf nach einer Erhöhung der Militärausgaben anschließt, sollte gleichzeitig seinen Wählern sagen, wem er diese Mittel wegnehmen wird. Erhöhen wir die Militärausgaben auf Kosten der Senioren, oder greifen wir in die Krankenkasse? Nehmen wir lieber etwas von den Gehältern der Lehrer, der Feuerwehrleute, der Polizisten, oder sicherheitshalber von allen, damit sich endlich alle sicherer fühlen können?“

Parolen abspulen | Die Wochenzeitung „Respekt“ sorgt sich, dass die Kommunikationsfähigkeit der Tschechen in Fremdsprachen neuerdings abnimmt und dass auch manche Spitzenpolitiker kaum in der Lage sind, mit der Außenwelt zu kommunizieren. „Ein kleines Land wie Tschechien hat zwei Möglichkeiten, es mit der großen Welt aufzunehmen: entweder ein aufgeschlossener, pragmatischer Hecht im weltweiten Karpfenteich zu sein, wie es die Niederländer oder in letzter Zeit die Esten so beispielhaft zeigen, oder nichts tun und warten, dass sich das Leben irgendwie entwickelt. Es entwickelt sich, allerdings unter dem Einfluss anderer, nicht unserem. Wie begreift wohl der tschechische Premier die Welt, wenn er sie bloß mit dem Filter der tschechischen Medien betrachten muss, ohne die Möglichkeit, ausländische Qualitätszeitungen zu lesen? Wenn er sich mit Kollegen aus der EU trifft, muss er sich unsicher und in der Defensive fühlen. Natürlich drängt er sich dann erst gar nicht in solche Treffen und widmet sich lieber seinen Wählern bei Ausflügen durch Tschechien, wo er seine Parolen abspulen kann.“

Lüge als Pflicht | Die Prager „Lidové noviny“ glossiert den Wahlparteitag der einst bedeutenden und wegen Skandalen fast zur Bedeutungslosigkeit gesunkenen Bürgerpartei ODS: „Der Vorsitzende Fiala wollte den Parteifreunden sagen, dass die Partei beginnt, sich von der Talsohle zu erheben. Das trifft offensichtlich nicht zu; wenn dennoch die Führung den Eindruck hat, dass die Talsohle erreicht ist, dann ist eine solche Lüge fast Pflicht. Eine nichtpopulistische Rechtspartei, gegründet auf ein Programm von Werten und nicht des Geldes, braucht jedes Land, und der Politologe Fiala weiß das. Ob die ODS ein bedeutsamer Bestandteil der hiesigen Politik sein wird, liegt sehr viel an ihrer eigenen Redlichkeit.“

Nichts verstanden | Das Wochenblatt „Ekonom“ wirft einen Blick nach Italien, das es weiterhin im Abstieg sieht: „Enrico Letta, der Mario Monti als Regierungschef ablöste, ließ ein klares Reformkonzept vermissen, und dann ersetzte ihn der charismatische Matteo Renzi. Obwohl jedoch Renzi auf die Wirtschaft viel verbale Energie verwendet, gab er bislang nicht zu erkennen, dass er das Wesen der italienischen Krise verstanden hat. Damit steht er nicht alleine. Im Gegenteil, praktisch die gesamte europäische Elite, von Brüssel über Paris bis Berlin, ist immer noch überzeugt, dass Europa nur an einer Finanz- und Vertrauenskrise krankt. Über das Kardinalproblem des Verlusts der Konkurrenzfähigkeit wird nicht gesprochen, denn dieses lässt sich nicht mit einer bloßen Diskussion lösen.“