Zurück in die Zukunft

Zurück in die Zukunft

Internet-Anbieter setzen in Tschechien immer häufiger auch auf klassische Geschäfte

7. 5. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Tim Reckman/pixelio.de

Es gibt fast nichts, was es nicht online zu bestellen gibt. Von der Tiefkühlpizza bis zum Kleinwagen, vom Goldfisch bis zur Hochzeitstorte bieten viele Firmen Teile ihres Sortiments im Internet an oder verlagern ihr Geschäft gleich komplett in einen Online-Shop. Der traditionelle Einzelhandel würde darunter leiden, wird in vielen Ländern geklagt; weil sich die Kunden alles im Internet bestellten und bequem nach Hause schicken ließen, müssten in den Fußgängerzonen und Kleinstädten immer mehr Geschäfte schließen. In Tschechien ist es offenbar umgekehrt: Hierzulande eröffneten immer mehr Unternehmen, die als Internet-Anbieter begonnen haben, auch klassische Verkaufsstellen in den realen Straßen, meldete in der vergangenen Woche das Preisvergleichsportal Heureka.cz. Es hat im ganzen Land mehr als 6.600 Online-Shops gezählt, die mittlerweile über eigene „Zweigstellen aus Stein“ verfügen – damit sind klassische Geschäfte gemeint, in denen nicht nur bestellte Waren abgeholt, sondern auch auf herkömmliche Weise eingekauft werden kann.

Weil in anderen Ländern kein solcher Trend zu beobachten ist, sprechen Experten schon von einem „tschechischen Hybrid-Modell zwischen klassischem Einzelhandel und Internethandel“. In Tschechien, wo es der Erhebung zufolge insgesamt 37.000 Online-Shops gibt, sei dieses Mischmodell sehr erfolgreich und habe eine Zukunft, glaubt zum Beispiel der geschäftsführende Direktor der Vereinigung für elektronischen Handel (APEK) Jan Vetyška: „Es ist richtig, dass es eine Überschneidung, wie es bei uns der Fall ist, in Westeuropa in diesem Ausmaß bisher nicht gibt, aber das hängt natürlich unter anderem mit der gesellschaftlichen Situation und mit den Erwartungen der Kunden zusammen.“

Volle Kontrolle

Was genau die tschechischen Kunden erwarten, erklärt der Chef von Heureka.cz Tomáš Braverman: Besonders beliebt sei hierzulande die Selbstabholung der Ware. Das reduziert nicht nur den Preis, da die Kosten für die Zustellung entfallen, sondern sichert dem Käufer auch die volle Kontrolle über die Auslieferung. Weit mehr als die 6.600 Anbieter, die schon eigene klassische Geschäfte haben, ermöglichen es Braverman zufolge ihren Kunden, die bestellte Ware selbst abzuholen. Das funktioniert zum Beispiel über Selbstbedienungs-Paketstationen oder andere Orte wie Tankstellen, die als Ausgabestellen fungieren. Michala Gregorová, Sprecherin des Online-Geschäfts Mall.cz, bestätigt Bravermans Aussagen. Mall.cz hat im vergangenen Jahr fünf neue klassische Zweigstellen eröffnet. „Die Gründe dafür liegen auf der Hand, die tschechischen Kunden mögen die Selbstabholung.“

Vom Erfolg des Hybrid-Modells sind auch die Vertreter anderer großer Online-Anbieter überzeugt: Der Online-Shop für Elektroartikel CZC.cz hat bereits 56 klassische Geschäfte, insgesamt will er in naher Zukunft 100 haben. Der Anbieter Alza.cz, der unter anderem Computer und Zubehör vertreibt, hat im vergangenen Jahr die Zahl seiner klassischen Geschäfte um acht auf 40 erhöht. Hana Hutlová, Marketing-Chefin der Firma Vivantis, die mehrere Online-Shops betreibt, sagt: „Der Markt vermischt sich immer mehr und den Händlern bleibt nichts anderes übrig als beide Kanäle zu nutzen, weil einer ohne den anderen nicht so gut funktioniert.“

Parfums.cz modernisiert derzeit seine vier Ausgabestellen und baut sie so für den Direktverkauf um, dass dort bis zu 1000 Produkte angeboten werden können. „Im Ausland würde man denken, dass eine ähnliche Strategie den Sinn des Online-Shops negieren würde, der tschechische Markt ist in dieser Hinsicht einzigartig“, erklärt der Marketing-Chef des Unternehmens, Radek Ondrášík. Eine komplette Umwandlung der Online-Shops in klassische Geschäfte wird es Ondrášík zufolge aber nicht geben. „Bei den Kosten ist der Unterschied zwischen Online-Shops und steinernen Geschäften sehr groß. Bei Parfum machen die Kosten für den Vertrieb im Durchschnitt 46 Prozent des Verkaufspreises aus, beim Online-Vertrieb sind sie um einiges niedriger.“