Wohl und Wehe tschechischer Führerscheine

Wohl und Wehe tschechischer Führerscheine

Fallbeispiele werfen komplizierte Rechtsfragen vor deutschen Gerichten auf

29. 5. 2013 - Text: Klaus HanischText: Klaus Hanisch; Foto: Helene Souza/pixelio.de

Der „Führerschein-Tourismus“ zwischen Deutschland und Tschechien wurde vor vier Jahren höchstrichterlich beendet. Trotzdem müssen sich deutsche Gerichte weiterhin mit tschechischen Dokumenten beschäftigen.

Letzte Ausfahrt Tschechien: Wer seinen Führerschein in Deutschland verloren hatte und sich einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) unterziehen musste, dem bot das Nachbarland lange die Chance, einen neuen „Lappen“ zu erwerben und damit zu Hause einfach weiterzufahren.

Möglich machten das unterschiedliche nationale Regelungen sowie die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur gegenseitigen Anerkennung von Fahrerlaubnissen. Befördert wurde der sogenannte „Führerschein-Tourismus“ auch durch Bestechungsgelder an tschechische Fahrschulen, Übersetzer und Beamte, die untalentierten Fahranfängern und deutschen Verkehrssündern zu Hilfe waren. Solche Korruptionsfälle kamen im tschechischen Nepomuk, Pilsen und Prag ans Tageslicht.

Seit Januar 2009 können sich Deutsche jedoch nicht mehr für einen Führerscheinerwerb nach Tschechien zurückziehen. „Bei einem Auslandsaufenthalt ausschließlich zu dem Zweck einer solchen Ausbildung unterstellt der Gesetzgeber den ordentlichen Wohnsitz weiterhin in Deutschland“, stellt der ADAC etwas umständlich fest. Konkret bedeutet das: Wenn ein Deutscher seinen Führerschein in Tschechien machen will, dann braucht er dort eine Adresse und muss mindestens 185 Tage in Tschechien wohnen, studieren oder sechs Monate lang dort arbeiten. Anderenfalls kann der tschechische Schein in Deutschland für ungültig erklärt werden.

Mehr noch: Ein Angeklagter wurde deshalb vom Amtsgericht Chemnitz im vergangenen Jahr zu einer Geldstrafe von 1.600 Euro verurteilt. Auch er hatte die MPU – im Volksmund „Idiotentest“ genannt – umgehen wollen und deshalb 2006 in Tschechien einen Führerschein erworben. Das sei jahrelang gutgegangen, sagte er vor Gericht aus. Nach der Gesetzesänderung von 2009 hatte er erstmals Probleme mit der Justiz. Das Verfahren wurde eingestellt, was er wie einen Freispruch empfand. Nun erklärte der Richter seinen Führerschein jedoch für ungültig, weil er nie in Tschechien gewohnt habe.

Problemfall Wohnsitz
Dagegen lebte ein Mann aus Düsseldorf sehr wohl zwei Jahre lang bei einer Freundin in Tschechien und war auch dort gemeldet, als er 2005 eine Fahrschule besuchte. Weil die Prüfung erheblich billiger war, erwarb er im östlichen Nachbarland einen Motorradführerschein. 2007 kehrte der Mann nach Deutschland zurück. Vor wenigen Wochen sandte ihm das Straßenverkehrsamt Düsseldorf trotzdem einen Strafbefehl über 600 Euro zu, weil er ohne gültigen Führerschein Motorrad gefahren sei. Der 54-Jährige legte Einspruch ein. Er argumentierte, dass das Amt ihm vorher auf Nachfrage mitgeteilt habe, er müsse seine rosafarbene EU-Karte aus Tschechien nicht umschreiben lassen, weil die neue Regelung zum Zeitpunkt der Ausstellung noch nicht gegolten habe.

Ob die seinen Führerschein nun nachträglich ungültig macht und ob er das hätte wissen müssen, muss nun ein Gericht klären – ein Beispiel dafür, dass im Ausland ausgestellte und in Deutschland verwendete Führerscheine für Juristen weiterhin schwierige Fälle bleiben. Und dies, obwohl der Europäische Gerichtshof im April 2012 die Voraussetzungen für Erwerb und Anerkennung von Führerscheinen aus dem EU-Ausland noch einmal bestätigte.

„Der Europäische Gerichtshof hat erneut klargestellt, dass Führerscheine, die während einer laufenden Sperrzeit oder unter Verstoß gegen das sogenannte Wohnsitzerfordernis im EU-Ausland erworben wurden, auch zukünftig in Deutschland nicht anzuerkennen sind“, erläutert der ADAC.

Den Anstoß zu dieser neuerlichen Entscheidung gab ein Deutscher, dessen Führerschein wegen Trunkenheit für 15 Monate entzogen worden war. Erst nach Ablauf dieser Frist hatte er einen tschechischen Führerschein erworben, in dem auch ein tschechischer Wohnsitz eingetragen war. Trotzdem erkannten ihn deutsche Behörden zunächst nicht an. Der Fall landete vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, der ihn an das höchste EU-Gericht weitergab. Ob ein Führerschein-Inhaber seinen Wohnsitz tatsächlich im Ausland hat oder ob es sich dabei um einen Scheinwohnsitz handelt, müssten nationale Gerichte entscheiden, ergänzte der EuGH.

„Es bleibt abzuwarten, wie deutsche Gerichte und der deutsche Gesetzgeber auf dieses Urteil reagieren werden“, schränkt der ADAC ein. Einfach war das im Februar vorigen Jahres bei einem Deutschen, dem ein Führerschein wegen erheblicher Vorstrafen in Deutschland verweigert worden war. Daraufhin hatte er eine Fahrerlaubnis in Tschechien bekommen, die deutsche Behörden nicht anerkannten. Zumal aus Tschechien bestätigt wurde, dass der Mann zum Zeitpunkt der Ausstellung des Führerscheins nicht im Land gemeldet war.

Schwieriger waren die Umstände bei einem Tschechen, der seit 30 Jahren in Deutschland lebt und seinen ursprünglich tschechischen Führerschein in einen englischen umschreiben ließ. Auch damit verstieß er nach Ansicht eines Amtsrichters gegen das „Wohnsitzerfordernis“.

Als der 38-Jährige nun eine Ampel bei Rot überfuhr, landete er auch erneut wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis vor einem fränkischen Richter. Zwar argumentierte sein Verteidiger, dass der Tscheche als EU-Bürger einen gültigen Schein besitze, weil er von einer tschechischen Führerscheinstelle ausgestellt worden sei. Trotzdem verurteilte das Gericht ihn kürzlich zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro. Denn es nahm auch an, dass er damit nur einen theoretischen Test umgehen wollte, den er schon einmal nicht bestanden hatte. Der Staatsanwalt riet dem Angeklagten allerdings dazu, auch diesen Fall vor den EuGH zu bringen.

Kein Anspruch
Eine Grundsatzentscheidung traf der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) vor zwei Jahren im Fall einer Klägerin, die einen Führerschein schon 2006 in Tschechien erworben hatte. Er entschied, dass der Freistaat Bayern ihre tschechische Fahrerlaubnis nicht anerkennen musste, auch wenn unter dem Wohnort die deutsche Adresse und die tschechische Bezeichnung für die Bundesrepublik Deutschland genannt wurden.

Zuvor vergewisserten sich die bayerischen Richter jedoch noch einmal bei ihren europäischen Kollegen, ob dafür allein schon der fehlende Wohnsitz in Tschechien ausreiche. Denn die Klägerin war zuvor völlig „unauffällig“, ihr war weder eine Fahrerlaubnis entzogen worden noch drohte ein „Idiotentest“. Doch der EuGH bekräftigte, dass Deutschland einen fremden Führerschein ablehnen könne, wenn der Führerscheinbesitzer keinen Wohnsitz in dem Ausstellungsland hat.

Prinzipiell gilt also: Inhaber von EU-Führerscheinen mit deutschem Wohnsitzeintrag haben keinen Anspruch auf Anerkennung. Das Geld, das sie in Tschechien in einen vermeintlich preiswerten Führerschein investiert haben, war oft umsonst aufgewendet. Auch wer seinen Führerschein schon vor 2009 in Tschechien erworben hat, bekommt oft Ärger, wenn darin ein deutscher Wohnsitz vermerkt ist.