„Wir stehen voll und ganz zu Europa“
Interview

„Wir stehen voll und ganz zu Europa“

Bayerns Wirtschaftsminister Martin Zeil unterstützt im Gegensatz zu Präsident Klaus die europäische Währungsunion

21. 11. 2012 - Interview: Bernd Rudolf, Titelbild: STMWIVT

Am 26. und 27. November wird der bayerische Wirtschaftsminister Martin Zeil Prag besuchen. Anlass ist das VI. DTIHK-Wirtschaftsgespräch, zu dem die Deutsch-Tschechische Industrie- und Handelskammer geladen hat. Bernd Rudolf sprach mit dem Wirtschaftsminister über den Schwerpunkt der Gespräche, die deutsch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen und über den Euro.

Herr Zeil, Sie kommen nach Prag. Was wird der Schwerpunkt der Gespräche sein?
Martin Zeil: Bayern ist in zahlreichen wirtschafts- und verkehrspolitischen Bereichen eng mit seinem Nachbarland verflochten. Im Fokus der Expertenreise stehen daher aktuelle gemeinsame Themen: die grenzübergreifenden Schienenverkehrsverbindungen und Energiebeziehungen, das Thema berufliche Bildung, Galileo und Global Monitoring for Environment and Security, kurz GMES, sowie die Clusterzusammenarbeit.

Bayern ist mit Abstand Tschechiens wichtigster Handelspartner unter den deutschen Bundesländern. Warum hat der Freistaat so eine herausragende Stellung hinsichtlich des Außenhandels mit der Tschechischen Republik?
Zeil: Deutschland und vor allem Bayern sind in der Tat das Zielland Nummer eins für tschechische Exporte. Umgekehrt ist die Tschechische Republik für Bayern der wichtigste Handelspartner in Mittel- und Osteuropa. Ausschlaggebend ist vor allem die geografische Nähe, insbesondere für die Unternehmen aus dem grenznahen Ostbayern. Hinzu kommen die vielfältigen kulturellen Gemeinsamkeiten in der unmittelbaren Nachbarschaft. Außerdem gehört die lange Tradition im Automobil- und Maschinenbau zu unseren gemeinsamen wirtschaftlichen Stärken. Auch die Deutschkenntnisse vieler Tschechen sind von entscheidender Bedeutung.

Bayerische Arbeitsagenturen und das Arbeitsamt in Pilsen versuchen seit diesem Jahr gemeinsam tschechische Facharbeiter nach Bayern zu „locken“. Viele Vermittlungen waren schon erfolgreich. Allerdings werden von den Vermittlern die geringen Deutsch-Kenntnisse beklagt. Viele Tschechen hätten Englisch statt Deutsch gelernt, da Deutschland die Grenzen zunächst für tschechische Arbeitswillige geschlossen hat. War das am Ende doch ein Fehler, den Tschechen nicht von Beginn des EU-Beitrittes an das Recht zu geben, in Deutschland zu arbeiten?
Zeil: Aus wirtschaftspolitischer Sicht hätte ich mir in diesem Zusammenhang eine schnellere Einführung der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit gewünscht. Nun gilt es aber, den Blick in die Zukunft zu richten. Ich bin der Überzeugung, dass unsere direkte Nachbarschaft und konkrete Initiativen wie bayerisch-tschechische Schüleraustausch-Programme oder die deutsch-tschechische Fußballschule frühzeitig Neugier füreinander dies- und jenseits der Grenze wecken.

Die DTIHK hat Sie als Redner zu ihrem Wirtschaftsgespräch eingeladen. Dabei geht es auch um die Bildung. Schon lange fordert die DTIHK, dass auch in Tschechien das duale Ausbildungssystem eingeführt wird. Wie beurteilen Sie die Berufsausbildung in Tschechien?
Zeil: Tschechien gilt seit sieben Jahren laut Umfragen der deutschen Auslandshandelskammern als attraktivster Standort in Mittel- und Osteuropa – ein Grund dafür ist vor allem das generell hohe Ausbildungsniveau der tschechischen Arbeitskräfte. Eine Umfrage der DTIHK zeigt andererseits aber auch, dass es für mehr als zwei Drittel der teilnehmenden deutschen Unternehmen immer schwieriger wird, qualifiziertes Personal mit praktischer Berufserfahrung vor allem im gewerblich-technischen Bereich zu finden. In Bayern haben Berufsabschlüsse ein deutlich höheres gesellschaftliches Ansehen als in der Tschechischen Republik. Wir bauen auf die Verbindung von Praxis mit allgemeinen Bildungsinhalten. Ich halte aber nichts davon, das deutsche duale System eins zu eins auf Tschechien zu übertragen. Eine praxisbezogene Ausbildung kann nur erfolgreich sein, wenn sie von Wirtschaft, Politik und Verbänden aktiv mitgestaltet wird.

Tschechien hat den Euro bislang nicht eingeführt und lehnt die Bankenunion ab. Oft wurde Präsident Klaus hinsichtlich seiner kritischen Euro-Einstellung belächelt. Hat er doch Recht gehabt?
Zeil: Wir stehen voll und ganz zu Europa und zur europäischen Währungsunion. Der Euro hat sowohl der deutschen als auch der bayerischen Wirtschaft viele Vorteile gebracht. In der derzeitigen Krise wird jedoch deutlich, dass die Währungsunion nur funktioniert, wenn die ökonomischen Voraussetzungen gegeben sind, sich alle an die vereinbarten Regeln halten und neben den politischen auch die ökonomisch richtigen Entscheidungen getroffen werden. Eine funktionierende europäische Währungsunion ist zentral für Europas Stellung unter den bestehenden und den aufstrebenden globalen Wirtschaftsmächten. Im Unterschied zum tschechischen Staatspräsidenten üben wir keine Fundamentalkritik an der europäischen Idee und der europäischen Währungsunion, sondern drängen auf eine nachhaltige Ausgestaltung, damit die Vorteile unserer gemeinsamen Währung wieder deutlicher zum Tragen kommen.

Die bayerisch-tschechischen Wirtschaftsbeziehungen sind prächtig. Was könnte trotzdem besser sein?
Zeil: Alleine in den letzten zehn Jahren hat sich das Außenhandelsvolumen von Bayern und Tschechien fast verdoppelt und erzielte im Jahr 2011 mit fast 15 Milliarden Euro einen neuen Rekordwert. Vor dem Hintergrund der Schuldenkrise in Europa schlägt sich der tschechische Außenhandel zwar wacker, verliert aber dennoch an Dynamik. Für die weitere Wettbewerbsfähigkeit des tschechischen Standorts hat in Prag bereits ein Umdenken hin zu mehr Wertschöpfung und eigener Hochtechnologie mit großzügigen staatlichen Förderungen begonnen. Diese Entwicklung ist sehr positiv, denn auch viele bayerische Firmen wollen nicht nur in Tschechien produzieren, sondern auch neue Produkte entwickeln. Weitere Anknüpfungspunkte ergeben sich in der Clusterzusammenarbeit und bei Energiefragen oder der Verbesserung der Schienenverbindungen.

Die besten 50 Firmen in Bayern wurden von Ihnen ausgezeichnet. Was ist das Besondere an diesen Unternehmen?
Zeil: In diesem Jahr haben wir bereits zum elften Mal unseren begehrten Mittelstandspreis „BAYERNS BEST 50“ vergeben. Mit dieser Auszeichnung ehren wir jedes Jahr inhabergeführte Unternehmen, deren Betriebe in den vergangenen fünf Jahren besonders wachstumsstark waren und die die Zahl ihrer Mitarbeiter und ihren Umsatz überdurchschnittlich steigern konnten. Die Preisträger von „BAYERNS BEST 50“ – so wie viele unserer mittelständischen Firmen – sorgen mit ihrer wirtschaftlichen Leistung für dynamisches Wachstum und schaffen tausende Arbeitsplätze in Bayern. Zusammen haben die Preisträger des Jahres 2012 in den vergangenen fünf Jahren die Zahl ihrer Mitarbeiter um 39 Prozent aufgestockt. Im gleichen Zeitraum haben sie ihren Umsatz um rund 50 Prozent auf über 4,1 Milliarden Euro gesteigert. Diese Ergebnisse spiegeln in beeindruckender Weise die Leistungsfähigkeit des bayerischen Mittelstandes wieder.

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