„Wir können nicht singen“

Das Rapperinnen-Duo „Čokovoko“ verbindet Hiphop und Feminismus. Und ist dabei lustig

28. 8. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: nw; Foto: Čokovoko

Zuzana Fuksová und Adéla Elbel alias „Čokovoko“ stellen seit sieben Jahren den tschechischen Hiphop auf den Kopf. Die beiden Brünnerinnen sind um die 30 und rappen über Svíčková und Selbstmord, Monogamie  und Geschlechtskrankheiten sowie Glück und Helfersyndrom. Čokovoko parodieren Hiphop-Posen. Ihr erstes Album hieß „Best of“ (2006), ihr letztes „Musik“ (2011). PZ-Redakteurin Nancy Waldmann erfuhr im Interview mit Zuzana Fuksová und Adéla Elbel, dass sie weder Hiphopperinnen noch Musikerinnen sind.

Čokovoko gibt es seit sieben Jahren und immer noch bemüht Ihr Euch um ein amateurhaftes Image. Wird das nicht langsam schwierig?

Zuzana Fuksová: Image? So kann man das eigentlich nicht nennen.
Adéla Elbel: Wir sind wirklich Amateure. Wir gehen einer normalen bürgerlichen Arbeit nach. Die Musik, das ist nur nebenbei.

Was arbeitet Ihr?

Elbel: Ich übersetze.
Fuksová: Ich arbeite im sozialen Bereich. Und übersetze auch.

Nennt Ihr Euch Musikerinnen?

Elbel: Nein.  
Fuksová: Die Musik machen wir nicht selbst. Wir suchen aus, wer die Musik macht oder sampelt. Wir machen nur die Texte.  Ich weiß nicht, ob man uns Musikerinnen nennen kann. Die Definition ist mir auch egal.

Warum habt Ihr Euch als musikalische Grundlage Hiphop ausgesucht?

Elbel: Das passt gut zu den Texten. Wir haben viel Text, und dazu passt keine Popmusik. Mir kommt das natürlich vor.
Fuksová: Ich wäre froh, wenn es edlere Musik wäre. Eine Operette würde mir auch gefallen. Aber wir können ja nicht singen, deswegen ist Hiphop unser einziger Ausgangspunkt.

Findet Ihr nicht, dass Hiphop eher eine Jungsveranstaltung ist?

Elbel: Naja, die Jungs waren die, die da überhaupt aktiv wurden. Und die Mädchen waren dabei und haben sich schön angezogen.
Fuksová: Jetzt ist das nicht mehr so. Es gibt viele gute Rapperinnen – mir gefällt Lil’Kim. Jedenfalls außerhalb Tschechiens gibt es sie. Im öffentlichen Leben sind hier generell kaum Frauen zu sehen. Aber es ist wohl einfach so, dass sich Männer mehr exponieren. Sie schämen sich nicht, sich zu blamieren. Und niemand schreit sie an, dass sie ihre Titten zeigen sollen.

Warum seid Ihr in Tschechien die einzigen Hiphopperinnen?  

Fuksová: Es gibt andere, Bio Masha zum Beispiel. Und eigentlich sind wir keine. Wir haben ein paar typische Elemente wie den Sprechgesang. Aber wenn das jemand beurteilen würde, der was von Hiphop versteht, merkt er, dass in unseren Songs einige Eigenschaften fehlen, zum Beispiel der Flow. Wir nutzen das nur als Form.
Elbel: Die Hiphop-Szene sieht uns nicht als Hiphopperinnen.

Eure Texte parodieren Hiphop eher. Sie handeln von Frauen und ihren Gedanken. Finden Frauen oder Männer Eure Texte lustiger?

Elbel: Ich glaube Frauen. Aber ich bin auch mehr mit Frauen in Kontakt und kriege von denen Feedback.
Fuksová: Eher Männer. Aber ich habe auch das Vorurteil, dass Frauen kein Gefühl für Humor haben. Mir kommt es jedenfalls so vor, dass weiblicher Humor im Prinzip nicht existiert.

Was würde in Euren Texten nie vorkommen?

Fuksová: Ich habe mir mal verboten, die Wörter „Engel“ und „Liebe“ zu benutzen. Und um den Präsidenten würde es auch nie gehen. Politische Themen interessieren mich überhaupt nicht.
Elbel: Mich schon, aber nicht so, dass ich das kommentieren wollte.

Ihr haltet Eure Texte für unpolitisch?

Elbel und Fuksová: Ja.
Fuksová (überlegt): Kann ich eigentlich nicht beurteilen.
Elbel: Die Texte sind zeitlos, Bezüge zur aktuellen Politik gibt es da nicht. Nur einmal, als wir Obama im Clip hatten.
Fuksová: Ich weiß nicht, was alles unter Politik fällt. Aber mir gefällt es, wenn das als feministisch wahrgenommen wird, was ja irgendwie auch politisch ist.

Würdet Ihr Euch also als Feministinnen bezeichnen?

Elbel: Naja, keine exaltierten Feministinnen. Manchmal erwische ich mich dabei, wie ich von meinem Mann will, dass er tut, was man von einem Mann erwartet. Das ist nicht besonders feministisch.
Fuksová: Ich bezeichne mich gern als Feministin. Aber das hängt von der Definition ab, in Tschechien ist der Begriff sehr negativ besetzt.

Euer Plattenlabel heißt „Mamka“. Seid Ihr Mütter?

Elbel: Ich ja, aber das hat damit nichts zu tun.
Fuksová: Das Label ist meiner Mutter gewidmet. Denn sie hat uns das gesamte Geld für die Produktion dieser Platte geborgt. Ohne sie hätten wir die CD nicht machen können.

In Euren Texten geht es auch um Mütter und was sie denken. Wollt Ihr Kritik an ihnen loswerden? Oder geht es um Empowerment?

Fuksová: Empowerment ja. Aber ich habe kein eindeutiges Verhältnis zu Frauen. Gegenüber Eigenschaften, die als spezifisch weiblich gelten, habe ich eine Abneigung. Und ich wünsche mir eigentlich, dass Frauen andere Rollen einnehmen. Dabei geht es nicht nur um Mütter. Aber auf der anderen Seite habe ich sie auch so gern, wie sie sind.
Elbel: Ich will eine gute Mutter sein. Dass meine Kinder zufrieden mit mir sind.

Gibt es etwas, das typisch ist für tschechische Mütter?

Elbel: Dass sie ihre Kinder unnötig beaufsichtigen, dass sie ihre Vorstellungen in ihre Kinder hineinprojizieren. In Tschechien dreht sich das Muttersein darum, wer den schönsten Kinderwagen hat.

Was müsste Eurer Meinung nach in Bezug auf Frauen- und Geschlechterpolitik am dringendsten passieren?

Elbel: Frauenpolitik interessiert mich nicht. Ich fände es wichtig, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren können.
Fuksová: Frauen sollten in gleichen Positionen wie Männer das gleiche Geld verdienen. Und es müsste mehr flexible Arbeitsplätze geben. Dann gibt es so Dinge, da weiß ich nicht, wie man die ändern soll. Frauen gelten als interessant, solange sie jung und attraktiv sind. Mir scheint, dass ältere Frauen hier nicht besonders respektiert werden. Nur ist es schwer zu sagen, wie man dagegen angehen soll.  

Wenn Ihr Präsidentin von Tschechien wäret, was würdet Ihr tun?

Fuksová: Keine Ahnung.
Elbel: Ich würde meine Rechte einschränken. Ich finde, der Präsident darf zuviel.