Wie bei Shakespeare

Wie bei Shakespeare

Nationaltheater: Mehrheit der Ensemblemitglieder zieht Kündigung zurück – Spielzeit beginnt wie geplant

21. 8. 2013 - Text: Marcus HundtText: Marcus Hundt; Foto: M. Špelda (Richard Krajčo in "Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit")

Das Worst-Case-Szenario ist dem Nationaltheater erspart geblieben. Und dennoch: Was die Protagonisten der renommiertesten Bühne Tschechiens in den vergangenen Wochen der Öffentlichkeit boten, glich einem Trauerspiel. Am vorigen Freitag überbrachte der Chef des Schauspiel-Ensembles Michal Dočekal die frohe Kunde, dass die meisten Darsteller ihre Kündigung zurückziehen – die Saison kann wie vorgesehen am 7. September mit Shakespeares Komödie „Der Widerspenstigen Zähmung“ beginnen. Der Titel dürfte so manchen Theatergänger zum Schmunzeln bringen.

Nachdem der frisch ernannte Kulturminister Jiří Balvín den erst wenige Stunden amtierenden Theaterdirektor Jan Burian am 1. August abberufen hatte, reichte etwa die Hälfte der am Nationaltheater engagierten Schauspieler ihre Kündigung ein. Und auch nachdem der Minister nur einen Tag später seine Entscheidung rückgängig machte und Burian erneut berief, blieben die Schauspieler eisern. Sie würden erst dann einlenken, wenn Balvín abtritt. Da dieser nicht freiwillig das Feld räumen wollte und sich dem Rückhalt seines Ministerpräsidenten sicher sein konnte, schwebte ganze zwei Wochen lang ein Damoklesschwert über dem goldenen Dach des Nationaltheaters. Die Gefahr, der Spielplan werde umgeworfen oder müsse verschoben werden, scheint mit den geglückten Verhandlungen Dočekals gebannt. „Doch es ist auch klar, dass bei der ganzen Sache ein gewisser Schaden entstanden ist“, sagt Theaterdirektor Burian.

Spätestens nach Gesprächen mit den Schauspielern Richard Krajčo und Miroslav Donutil, die ihre Kündigung aufrechterhalten und das Nationaltheater Ende Oktober verlassen, verglich Dočekal die Protestaktion seiner Ensemblemitglieder mit „einer Art Verzweiflungsakt“: „Die ganze Sache sollte man nicht nur auf das Nationaltheater und die Kultur beziehen, sondern auf die gesamte Gesellschaft, auf den Zustand, in dem sie sich befindet.“

Die Entscheidung von Minister Balvín hatte sowohl in der tschechischen Kulturszene als auch auf politischer Bühne laute Kritik hervorgerufen. Unverantwortlich und inkompetent sei die Abberufung Burians gewesen, die einzig und allein auf persönlichen Ansichten beruhe, polterten die Kritiker. Der Minister verwies auf das „unrechtmäßige Auswahlverfahren“, mit dem Burian in seine Position gelangt war. Dass die Entlassung für Unruhe im gesamten Kulturbetrieb sorgte, fiel ihm freilich erst einen Tag später ein, als er seinen „großen Irrtum“ bekannte.

Theaterdirektor Burian sehnt sich nun erst einmal Ruhe herbei. „Das Wichtigste ist doch bei alledem, dass es im Nationaltheater viele anständige Menschen gibt mit Werten und moralischen Maßstäben“, lobt Burian die Art, wie die nach seiner Entlassung entstandenen Probleme intern gelöst worden sind.

Obwohl die Spielzeit mit „Der Widerspenstigen Zähmung“ eröffnet wird, darf bezweifelt werden, dass es im Juni 2014 heißt „Ende gut, alles gut“.