Wendeverlierer gewinnen

Tschechen, die vor 1993 im slowakischen Landesteil arbeiteten, erhalten künftig eine Zusatzrente

28. 8. 2013 - Text: Jakob MatheText: Jakob Mathe; Foto: Marcel Oosterwijk

Tausende Tschechen, die vor der Teilung der Tschechoslowakei im Jahr 1993 auf dem Gebiet der Slowakei arbeiteten, bekamen ihre Rente bislang in Höhe des slowakischen Niveaus ausgezahlt. Der tschechische Staat genehmigte nun ein Gesetz, das eine Angleichung der Renten an den tschechischen Betrag vorsieht. Von der Reform sind etwa 10.000 Menschen betroffen. Deren Rentenerhöhung soll rund 1.100 Kronen (etwa 45 Euro) pro Monat betragen. Der genaue Betrag wird dabei aufgrund der Wechselkursschwankungen zwischen Euro und Krone immer wieder variieren und nur zusammen mit der tschechischen Rente ausgezahlt. Beantragen können Rentner die Zusatzzahlung bei der Verwaltung für soziale Sicherung (ČSSZ).

„Wir haben eine Reihe von Fällen verzeichnet, in denen Menschen das Gefühl hatten, dass sich der Zerfall der Tschechoslowakei negativ auf ihre Rente ausgewirkt hat. Genau dieses Problem löst der genehmigte Entwurf […] “, sagte František Koníček, Minister für Arbeit und Soziales, zu der Gesetzesänderung. Die Regierung hatte das Gesetz bereits im Januar dieses Jahres verabschiedet. Nun muss es nur noch von Präsident Zeman unterzeichnet werden. Die Rentenangleichung wird den tschechischen Staat Schätzungen zufolge rund 3,8 Milliarden Kronen (rund 145 Millionen Euro) kosten. Sie betrifft all diejenigen, die während des Kommunismus in der Slowakei arbeiteten und dort mindestens 25 Jahre, sowie vor dem Jahr 1996 mindestens ein Jahr lang in Tschechien Sozialabgaben leisteten.

Der Zerfall der Tschechoslowakei zum Jahreswechsel 1992/93 hatte eine Teilung der Rentensysteme mit sich gebracht. Im September 2012 lag die monatliche Durchschnittsrente in der Slowakei bei 376 Euro, was etwa 9.600 Kronen und 90 Prozent der tschechischen Durchschnittsrente entsprach. Mit dem Gesetz reagiert die Regierung auf Klagen benachteiligter Rentner, welche bereits vor mehreren Jahren für eine Rentenangleichung vor Gericht gezogen waren. Als Kriterium für den Rentenbezug hatte bislang der Arbeitssitz am Tag der Teilung der Tschechoslowakei gegolten. Dem Fall nahmen sich das tschechische Verfassungsgericht, das Verwaltungsgericht und der Europäische Gerichtshof an. Dieser hatte im Jahr 2011 entschieden, dass jeder EU-Bürger, der aufgrund seiner Arbeit in der früheren Tschechoslowakei einen Rentenanspruch hat, jedoch in seinem Land weniger Rente ausgezahlt bekommt, beim tschechischen Staat einen Ausgleich beantragen kann.

In Anbetracht der klammen Rentenkassen und der demografischen Entwicklung – während die arbeitende Bevölkerung schrumpft, steigt die Anzahl der Menschen mit Rentenanspruch – bedeutet die Angleichung eine enorme Belastung für den tschechischen Staat. Nach Angaben des Internetportals „Finance.cz“ betrug der durchschnittliche Nettolohn in Tschechien vom ersten bis zum dritten Quartal des Vorjahres 18.872 Kronen. Die tschechische Rente betrug 57 Prozent des Nettolohnes. In der Slowakei liegt dieser Anteil bei einem durchschnittlichen Nettolohn von 606,40 Euro bei 62 Prozent. Das Renteneintrittsalter beider Länder würde sich den Berechnungen von „Finance.cz“ zufolge künftig sehr unterscheiden. Nach 1980 geborene Tschechen werden fünf Jahre und sechs Monate länger arbeiten müssen als Slowaken. Dieser Unterschied könnte sich in Zukunft sogar noch vergrößern.