Wellness im Kuhstall

Wellness im Kuhstall

Urlauber stellen immer mehr Ansprüche an Ferien auf dem Bauernhof

20. 8. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Prázdniny na venkově/Antonín Bína

Um sechs kräht der Hahn, dann geht es in den Stall zum Melken, bevor zum Frühstück frische Milch auf den Tisch kommt. Wer an Ferien auf dem Bauernhof denkt, dem schwebt meist eine Mischung aus ländlicher Idylle und existenzieller Erfahrung in der Natur vor, während die Landwirte sich einen lukrativen Nebenverdienst erhoffen. In der Praxis sind die Ansprüche der Touristen aber immer schwieriger zu erfüllen, wie ein Besuch in Mährisch-Schlesien zeigt.

Der Bauernhof der Menšíks ist ein Familienbetrieb. In Kunčice pod Ondřejníkem südlich von Frýdek-Místek züchten sie seit mehr als 20 Jahren Kühe, deren Milch sie verkaufen und zum Teil in der eigenen „Minimolkerei“ selbst zu Quark und Käse verarbeiten. Auf 120 Hektar betreiben sie ökologische Landwirtschaft, ihre Produkte dürfen sich „Bio“ nennen. Seit vier Jahren beherbergen sie auch Touristen auf ihrem Hof, vor allem junge Familien mit Kindern. Die Ferienwohnung sei dafür gedacht gewesen, zumindest ein kleines alternatives Einkommen zu haben, sagt Markéta Menšíková. Leicht verdientes Geld bringt sie aber nicht und die Erwartungen der Urlauber sind hoch. Gäste können sich auf dem Hof und in der Molkerei umschauen. „Aber wenn jemand aus der Stadt meint, er kann hier eine Kuh melken, dann täuscht er sich.“ Die Touristen mit anpacken zu lassen, sei nicht möglich – schon wegen der Sicherheit und der strengen Vorschriften.

Ähnlich läuft es bei Ljuba Kielarová. Ihre Familie betreibt in Malá Morávka bei Bruntál einen Hof mit Pension. Urlauber können Kaninchen streicheln oder auf einem Pony reiten. Das Interesse gehe zurück, erzählt die Bäuerin, Touristen kämen nur noch im Sommer und im Winter. Sie blieben nur wenige Tage, hätten aber immer höhere Ansprüche. „Viele sind um die 35, haben kleine Kinder und völlig andere Wünsche als nur eine Unterkunft mit Halbpension. Sie wollen ein Programm für die Kinder und Wellness für sich, ein Hallenbad, eine Sauna und ich weiß nicht, was noch alles. Das können wir nicht alles bieten, selbst wenn wir wollten.“

Als ihre Familie vor 20 Jahren begann, Urlaub auf dem Bauernhof anzubieten, kamen im Sommer 100 bis 150 Holländer. „Sie blieben zwar nur zwei Nächte, also mussten wir dauernd putzen, aber dafür war das damals gut bezahlt.“ Dann stellte sich die Familie auf einheimische Kunden ein, doch mit den Tschechen laufe es nicht so gut, sagt Kielarová. Es gebe immer mehr Unterkünfte, aber weniger Gäste. „Wir haben schon Angst, dass wir nicht mehr davon leben können.“ Sechs Monate im Jahr betreibe sie die Pension, die restliche Zeit verbringe sie auf dem Arbeitsamt.

Die beiden Familien sind typische Beispiele für die Entwicklung des sogenannten Agrotourismus in Tschechien. Die Idee  kam hierzulande in den neunziger Jahren auf. Am Anfang spielte das in den Niederlanden gegründete „European Centre for Ecology and Tourism“ eine wichtige Rolle, wie Zdenko Pavelka erklärt, Co-Autor der Publikation „Agroturistika v České republice“ („Bauernhoftourismus in Tschechien“). „Die Initiative dieser Organisation, die mit Bauernhöfen in Tschechien, Polen und Ungarn zusammenarbeitete, hing mit dem Interesse der Niederländer an Mitteleuropa als Reiseziel zusammen.“

Mittlerweile sei die Nachfrage aus Westeuropa aber stark zurückgegangen, so Pavelka. Die traditionelle Form von Urlaub auf dem Land – dazu gehört die Arbeit auf dem Hof, im Garten oder auf den Feldern – könne immer weniger Touristen anlocken. Beliebter seien andere Aktivitäten: Die Urlauber wollten reiten oder Selbstgemachtes aus der Küche der Bäuerin probieren, traditionelle Feste und Handwerker kennenlernen, angeln, Fahrrad fahren oder die Ruhe genießen. Insgesamt schätzt Pavelka die Zahl der Angebote im ganzen Land auf etwa 300. Das größte Interesse bestehe in Mittel- und Südböhmen sowie der Vysočina.