Weiße Weste statt gelbes Trikot

Weiße Weste statt gelbes Trikot

Roman Kreuziger darf wieder starten. Die Tour de France absolviert er diesmal aber als Wasserträger

9. 7. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Flowizm

oman Kreuziger hatte in jüngster Zeit gleich zweimal großes Glück. Beim zweiten Mal schürfte sich der tschechische Radprofi bei der dritten Etappe der Tour de France am Montag lediglich das Knie auf. Er stürzte bei einer Abfahrt, während es viele andere Fahrer bei einer Massenkarambolage am selben Tag deutlich schlimmer traf. Wichtiger für den 29-Jährigen war jedoch die Entscheidung des Internationalen Radsportverbands (UCI) und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) wenige Wochen vorher – standen doch lange Zeit Dopingvorwürfe gegen Kreuziger im Raum.

Nun nimmt der Fünftplatzierte der Tour von 2013 wieder am bekanntesten Radrennen der Welt teil; im russischen Team Tinkoff-Saxo soll er als Wasserträger dem Spanier Albert Contador zum Sieg verhelfen. Den vielleicht härtesten Kampf seiner Karriere aber überstand er bereits Anfang Juni – einigermaßen unbeschadet. Nach fast zwei Jahren setzten UCI und WADA einen Schlusspunkt unter die Dopingaffäre um Kreuziger. Auf Grundlage „neuer Informationen“, so die Organisationen, zogen sie ihre Berufung beim Internationalen Sportgerichtshof (CAS) zurück, bevor dieser Mitte Juni erneut über die angeblichen Unregelmäßigkeiten im Blutpass des Radfahrers aus den Jahren 2011 und 2012 verhandeln sollte. Zwei Jahre habe er um seinen guten Ruf gekämpft und versucht, seine Unschuld zu beweisen, reagierte Kreuziger im Juni auf die Nachricht. „Nun ist es mir gelungen. Der gesunde Menschenverstand hat gesiegt.“

Der UCI hatte den Radsport-Profi im vergangenen Jahr vorläufig suspendiert. Das Nationale Olympische Komitee hatte sich jedoch hinter Kreuziger gestellt. Es vertrat die Meinung, dass der Sportler nicht gegen die internationalen Anti-Doping-Richtlinien verstoßen habe. Gegen den Frei­spruch des Profis legten UCI und WADA Berufung vor dem CAS ein, die sie nun zurückzogen.

Wegen der Affäre hatte Kreuziger unter anderem auf die Teilnahme an der Tour de France im vergangenen Jahr verzichten müssen. Um seine Unschuld zu beweisen, unterzog er sich zuletzt im Winter einem Lügendetektor-Test und ließ sich in einer Klinik in den USA untersuchen. Damit konnte er schließlich belegen, dass sich aus den Veränderungen in seinem Blutpass nicht automatisch auf Doping schließen lässt. Außerdem machte er eine Schilddrüsenunterfunktion für die Unregelmäßigkeiten verantwortlich. „Als Sportler gebe ich nicht gerne auf, ich kämpfe bis zum letzten Moment“, hatte Kreuziger nach seinem Sieg in der Doping-Affäre gesagt. Diese Eigenschaften kann der bisher beste tschechische Tour-Teilnehmer aller Zeiten in den kommenden Wochen unter Beweis stellen. Die Tour ist für Kreuziger das erste große Rennen nach der Suspendierung wegen des Dopingverdachts. Eigene Ambitionen auf einen Spitzenplatz muss er diesmal aber hinten anstellen. „Mit Albert Contador haben wir einen unbestrittenen Kapitän. Sein Erfolg hat für uns oberste Priorität“, erklärte der 29-Jährige vor der dreiwöchigen Rundfahrt.

Kämpferischster Fahrer
Neben Kreuziger, der bereits zum sechsten Mal an der Tour teilnimmt, sind bei der 102. Auflage noch drei weitere tschechische Fahrer am Start. Leopold König landete bereits bei seinem Debüt im vergangenen Jahr auf dem siebten Platz der Gesamtwertung. Inzwischen wechselte er vom deutschen Rennstall NetApp zum britischen Team Sky um den Toursieger von 2013 Chris Froome, der nach der dritten Etappe die Gesamtführung übernahm. Jan Bárta, diesjähriger tschechischer Meister im Einzelzeitfahren, tritt im Trikot der deutschen Mannschaft Bora-Argon 18 an und konnte bereits einen ersten Erfolg feiern: Nach dem Teilstück über 159 Kilometer von Antwerpen nach Huy wurde er am Montag mit der roten Rückennummer als kämpferisch­ster Fahrer ausgezeichnet. Wie schon am Tag zuvor attackierte Bárta bereits auf dem ersten Kilometer und schaffte den Sprung in die Spitzengruppe. Das Feld gewährte den Ausreißern einen Vorsprung von fast vier Minuten, bevor es kurz vor der ersten Bergwertung wieder auf wenige Sekunden aufschloss. Seine erste Tour de France absolviert Zdeňek Štybar, der beim belgischen Rennstall Etixx-Quick-Step unter Vertrag steht. Der dreimalige Radcross-Weltmeister hatte vorab erklärt, er werde wegen der Tour nicht darauf verzichten, bei der Geburt seines Sohnes dabei zu sein. Der kleine Lewis kam eine Woche zu früh auf die Welt – und machte somit den Weg frei für Papas erste Tour de France.