Wege der vergessenen Werke

Wege der vergessenen Werke

In Liberec führen zwei neue Skulpturenpfade durch die Geschichte der Stadt im Sozialismus

17. 11. 2016 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: socharstvi.info

Manchmal brauchen Kunstwerke viel Zeit, um verstanden zu werden. Was vor Jahrzehnten verachtet oder sogar verboten wurde, sehen die Betrachter später in einem anderen Licht. Darauf hofft nun auch die Stadt Liberec. Mit zwei Skulpturenrouten durch Straßen und Parks lädt sie Bewohner und Besucher ein, die Stadt neu zu entdecken.

Die Wege führen an 27 Plastiken vorbei, die 22 tschechoslowakische Bildhauer von den sechziger Jahren bis zur Wende 1989 schufen. Die überwiegend abstrakten Skulpturen erzählen vom politischen Tauwetter Ende der Fünfziger, von Zuversicht und Aufbruchsstimmung in den sechziger Jahren und von einem Gefühl der Resignation nach dem Prager Frühling.

„Wir wollen sie vor dem Vergessen bewahren. Die Menschen sollen begreifen, dass sie einen Wert haben und nicht nur ein Relikt des Kommunismus sind“, meint Petr Freiwillig. Der Historiker hat die Skulpturen für die Route ausgewählt. „In vielen Fällen handelt es sich um wertvolle Werke bedeutender Künstler“, sagt Freiwillig. Eine Rolle bei der Auswahl habe neben der künstlerischen Qualität auch die Entstehungszeit gespielt. Zudem wurde das Material berücksichtigt. Von Marmor über Sandstein und Kupferblech bis hin zu Laminat soll ein Querschnitt durch das bildhauerische Schaffen jener Zeit gezeigt werden.

Ausgerechnet die älteste und die jüngste Skulptur setzten sich mit demselben Thema auseinander, so Freiwillig: der Kernfamilie. Sowohl die Figur von Jan Solovjev als auch Štefan Nejeschlebas Betonskulptur aus dem Jahr 1989 stellen Vater, Mutter und Kind dar. Erstere entstand 1961 und steht am Eingang zur Siedlung Králův Háj. Nejeschlebas Figur befindet sich an der Kreuzung der Straßen Pavlo­vická und Ruprechtická.
Wie Freiwillig findet, hätten es einige der Skulpturen verdient, zum Kulturdenkmal erklärt zu werden. Seit mehreren Jahren schon liege beim Kulturministerium ein Antrag, die „Schmetterlingsflügel“ von Jiří Novák in die Liste aufzunehmen, die gegenüber dem Nordböhmischen Gewerbemuseum zu finden sind.

Mehr über die Skulpturen erfahren Spazierende in einer Broschüre, die im Informationszentrum der Stadt ausliegt und im Internet heruntergeladen werden kann. Künftig sollen die Plastiken auch einen QR-Code erhalten, damit Interessierte die Texte mit ihrem Smartphone abrufen können.

Ein ähnlicher Pfad ist auch auf der anderen Seite der Grenze entstanden. Im Rahmen des Projektes „Vergessene Denkmäler“ führen in Zittau jedoch Skulpturen mit tieferen historischen Wurzeln durch die Stadt. Die ältesten Denkmäler entstanden bereits im 16. Jahrhundert.