Was ein Haus kostet

Was ein Haus kostet

Ivan Král schlägt sich seit 16 Jahren mit einem Betrug herum

18. 4. 2013 - Text: Nancy WaldmannText und Foto: Nany Waldmann

Im Dezember 1994 trug Ivan Král 1,7 Millionen Kronen bar in einem Rucksack zur Firma H-System, um sich einen Traum zu erfüllen. So machte man das im Tschechien in den frühen Jahren der Transformation. Genauso wie viele seiner Mitbürger träumte Král vom eigenen Haus. In der Zweizimmer-Wohnung seiner Mutter in Prag, wo er damals mit seiner Frau lebte, war es ihm zu eng geworden. In der Metro sah er ein Plakat von „H-System“, einer Firma, die damit warb, günstig Einfamilienhäuser auf bereits erworbenen Baugrundstücken vor den Toren der Stadt zu errichten. Král löste seinen Bausparvertrag auf, sein Bruder und seine Mutter schossen Geld zu.

In Horoměřice, einem Prager Vorort, machte er den Traum wahr: vier Zimmer für seine später vierköpfige Familie, ein kleiner Garten in einer Reihenhaussiedlung, die leer und steril wirkt, aber wo die Straßen gepflastert sind. Ein Traum, der Familie Král teuer zu stehen kam und der, nach 19 Jahren, noch Kosten fordert. Zweimal schon hat Ivan Král für das Haus gezahlt. Aber das Grundstück, auf dem das Häuschen steht, gehört ihm nicht. H-System ging 1998 bankrott, die Siedlung in Horoměřice gehört zur übriggebliebenen Konkursmasse der Firma, die einen der ersten großen Betrugsskandale in Tschechien nach der Revolution zu verantworten hat. 1.100 Häuslebauer brachte sie um ihr Geld, einer von ihnen war Král. Nun könnte es sein, dass diejenigen, die heute tatsächlich in ihren Häusern leben, ein drittes Mal zahlen müssen – um die noch in der Konkursmasse befindlichen Grundstücke zurückzukaufen.

Leere Versprechungen
„Eine Investition fürs Leben“ sollte es sein, sagt Král. Diese zu retten sollte sein Lebenswerk werden, denn er wurde später zum Anführer der betrogenen Häuslebauer. Da es billiger war, alles auf einmal zu zahlen, unterschrieb Král 1994 einen Vorvertrag und zahlte für ein Haus, das noch gar nicht da war. „Ich hab ihn gewarnt“, sagt Václav Král, sein Bruder. „Ein unrealistischer Preis für ein solches Haus samt Grundstück.“ 1,7 Millionen Kronen, das hat etwa 100.000 D-Mark entsprochen.

Zur geplanten Fertigstellung im November 1996 war auf dem Stück Land, das sich Familie Král ausgesucht hatte, noch kein Haus zu sehen. Nur auf einem entfernten Areal standen einige Grundmauern. Man warte noch auf Zuschüsse für Infrastruktur und verspäte sich um ein halbes Jahr, teilte H-System mit, hielt aber auch diesen Termin nicht ein. Král sprach mit anderen betroffenen Kunden, die er auf dem Bauland in Horoměřice traf. Auch sie wurden von H-System vertröstet. 1997 ging die Firma pleite. Die Häuslebauer entschlossen sich, die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Rund 700 von 1.100 schlossen sich der von Král angeführten Genossenschaft „Svatopluk“ an. Laut Král übernahm man im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter 600 Millionen Kronen Schulden bei der Komerční banka, dem größten Gläubiger von H-System. Ebenso einigte man sich, die Häuser fertigzustellen – mit 800 Millionen Kronen, die die Mitglieder von „Svatopluk“ erneut selbst aufbrachten. Die Grundstücke mietete man von H-System für eine Million Kronen jährlich auf 25 Jahre von H-System. Král berappte dabei erneut 1,6 Millionen Kronen. 2001 zog er mit seiner Familie endlich in sein Haus ein.

Das Geld, das Král und die anderen Kunden bereits Mitte der Neunziger gezahlt hatten, hatte H-System über andere Firmen umgeleitet und verschwand im Nirgendwo. Wegen Betrugs wurde der ehemalige H-System-Chef Jaroslav Smetka Ende 1999 verhaftet und 2006 rechtskräftig verurteilt. Drei weitere Manager wurden 2011 zu Bewährungsstrafen verurteilt, durch die zu Jahresbeginn verkündete Amnestie von Präsident Klaus wurden die Strafen wieder aufgehoben. Nur Smetka kam nicht frei. Entschädigung haben die betrogenen H-System-Kunden bis heute nicht erhalten.

Bausparvertrag in Reserve
Damals, als „Svatopluk“ den Hausbau in die Hand nahm, waren nicht alle früheren H-System-Kunden mit diesem Vorhaben einverstanden. Ein neuer Insolvenzverwalter schloss die Genossenschaft aus der Gläubigerversammlung aus. Einige Gläubiger wollten, dass die Grundstücke, die an Wert gewannen, in die Konkursmasse einfließen, so Král. Schließlich wurde auch Král verhaftet und musste sich wegen Schädigung von Gläubigern und Vorteilsnahme vor Gericht verantworten. Mit dem H-System-Chef Smetka soll Král gemeinsame Sache gemacht und die Mietverträge für die Baugrundstücke vordatiert haben – auf einen Termin, bevor H-System Konkurs angemeldet hatte. Das schrieb die Wochenzeitschrift „Respekt“ damals. Alles, was „Svatopluk“ tat, sei im Einverständnis mit dem Insolvenzverwalter und den Verantwortlichen von H-System geschehen, behauptet Král. Er wurde 2006 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und verlor seinen Job. Heute ist Král selbständig – als Immobilienmakler. Er verkauft Tschechen günstige Grundstücke im bayerischen Grenzgebiet zu Tschechien.

Bei der Anfang April dieses Jahres anberaumten Versteigerung sollten 55 verbliebene Wohnungen samt Grundstücken aus der Konkursmasse versteigert werden. Zu einem äußerst niedrig angesetzten Einstiegspreis von 62 Millionen Kronen. „Dieser Preis zieht Spekulanten an“, kritisierte „Svatopluk“ und schaffte es, die Versteigerung gerichtlich zu stoppen. Auf mindestens 122 Millionen Kronen schätzt „Svatopluk“ den Wert der verbliebenen Grundstücke. Die Genossenschaft will ihren Mitgliedern ermöglichen, die Grundstücke ihrer Häuser zu günstigen Konditionen endgültig zu erwerben und fordert, dass die Investitionen, die die Hausbewohner nach dem Bankrott von H-System in die Häuser steckten, berücksichtigt werden. Das Grundstück, auf dem Ivan Králs Haus steht, gehört dazu. Der ist auf alles vorbereitet. Damit ihm seinen wahrgemachten Traum vom Haus niemand mehr nehmen kann, hat er noch einen Bausparvertrag reserviert.