Wahnsinn mit Methode

Wahnsinn mit Methode

Das Prager Theaterfestival deutscher Sprache holt dramaturgische Experimente an die Moldau

8. 10. 2014 - Text: Franziska NeudertText: fn; Foto: She She Pop/D. Tuch

„Auf das Unerwartete sollen die Besucher treffen, auf etwas, was es hier so nicht gibt. Wir wollen Abwechslung bringen, Inspiration, vielleicht auch etwas, das die Leute einmal verärgert und anrührt“, fasst Jitka Jílková die Philosophie des Prager Theaterfestivals deutscher Sprache zusammen. Seit 19 Jahren leitet die 60-Jährige das Festival, das zu den bedeutendsten Bühnenereignissen in Tschechien zählt. Jedes Jahr im Herbst präsentiert es neue Trends des Theaterschaffens im deutschsprachigen Raum, bringt sowohl Produktionen großer Häuser als auch kleinerer Bühnen für knapp zwei Wochen in die Hauptstadt.

In diesem Jahr geht das Festival von 21. November bis 1. Dezember über die Prager Bühnen, erwartet werden Ensembles aus Berlin, Wien, Hamburg und Luxemburg. Einen ersten Vorgeschmack auf die unkonventionelle Theaterkunst können Besucher bereits vorab erhalten. In einem Prolog laden die Veranstalter am 1. November zu Andrea Breths „Zwischenfälle“ ins Wiener Burgtheater ein. Das Stück – von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ als „Witzwunder der Saison“ bezeichnet – setzt sich aus 53 Minidramen der Autoren Daniil Charms, Georges Courteline und Pierre-Henri Cami zusammen. Zu einer absurden Collage verwoben, halten sie dem Zuschauer zwischenmenschliche Komplikationen und den Unsinn der heutigen Zeit vor Augen. Wer die Kömödie erleben will, kann sich dem Theaterausflug anschließen, ein Bus bringt Interessierte nach Wien und zurück.

Den Auftakt zum Hauptprogramm in Prag bildet die Inszenierung „Front – Im Westen nichts Neues“ vom Hamburger Thalia Theater. Unter der Regie des Belgiers Luk Perceval vereint das Stück Romanfragmente von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ und Henri Babusses „Das Feuer. Tagebuch einer Korporalschaft“ sowie Zeitdokumente aus dem Ersten Weltkrieg.

Am 24. November folgt das Ensemble des Berliner Maxim Gorki Theaters, das im Theater „Divadlo v Dlouhé“ Sybille Bergs „Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen“ zeigt. Die deutsch-schweizerische Schriftstellerin wird am gleichen Tage im Goethe-Institut aus ihrem aktuellen Roman „Vielen Dank für das Leben“ lesen.

Mit „Frühlingsopfer“ steht auch eine deutsch-tschechische Koproduktion mit dem Berliner Performance-Kollektiv She She Pop auf dem Programm. Für das Stück, das die Rolle der Frau in Familie und Gesellschaft auslotet, brachten die Schauspielerinnen ihre Mütter auf die Bühne. Es ist am 16. November im Divadlo Archa zu sehen.

Den Josef-Balvín-Preis, der im Rahmen des Festivals alljährlich für die beste tschechische Aufführung eines deutsch geschriebenen Textes verliehen wird, erhält die Prager Theatergruppe „Tygr v tísni“ („Tiger in Not“) für ihre Videoinstallation „Golem Cube“. Aufbauend auf einer Inszenierung der Werke von Gustav Meyrink, Teréza Nováková und Ivo Kristián Kubák soll sie die mystische Stimmung des Prager jüdischen Viertels vor 120 Jahren aufleben lassen. Die multimediale Installation des „Golem Cube“ können Besucher von 30. November bis 1. Dezember auf der Hetz­insel (Štvanice) erkunden.

Den Abschluss des Festivals bilden die viel gelobten Inszenierungen „Die Wohlgesinnten“ des Wiener Schauspielhauses sowie „Gasoline Bill“ von den Münchner Kammerspielen. Neben Publikumsgesprächen mit Schauspielern und Regisseuren ergänzt die Plakatausstellung „Gleiche Farben“ im Neustädter Rathaus das vielfältige Festivalprogramm.

Für in Prag lebende Deutsche haben die Festivalinitiatoren einen besonderen Theatergenuss auf den Weg gebracht. In Zusammenarbeit mit dem Theater am Geländer (Divadlo Na zábradlí) werden bis Ende dieser Saison tschechische Bühnenstücke mit deutschen Übertiteln gezeigt. 

Kartenvorverkauf ab 27. Oktober, Tickets unter www.ticketpro.cz, Infos unter www.theater.cz

Anmeldung zum Theaterausflug nach Wien bis Freitag, 24. Oktober über office@theater.cz