Von Schlossfrauen und verdächtigen Filmemachern

Von Schlossfrauen und verdächtigen Filmemachern

Eine Reportage aus den Schwimmbädern der Goldenen Stadt

30. 1. 2013 - Text: Klaudia HanischText und Foto: Klaudia Hanisch

Meinen Kopf tauche ich nur ungern unter Wasser, trotzdem ist Schwimmen mein absoluter Lieblingssport. Im tiefen Prager Winter wurde es für mich nun höchste Zeit, die Schwimmbäder der Hauptstadt zu testen. Die mir selbst gestellte Aufgabe hatte es in sich: In fünf Tagen sollte ich sechs Schwimmbäder besuchen, das heißt in meinem Fall: drei Stunden Bahnschwimmen. In jeder Anlage nahm ich den Basistarif in Anspruch und warf dabei besonders auf die hygienischen Umstände, die sportlichen Betätigungsmöglichkeiten sowie das Preis-Leistungs-Verhältnis ein kritisches Auge.

Meine erste Adresse ist das Schwimmbad des Hotels Olšanka in Žižkov, dessen über 30-jähriger sozialistischer Charme keinem Auge verborgen bleibt. Schon an der Kasse erlebe ich eine kleine Zeitreise; denn anstatt einer Chipkarte oder einem Schlüssel bekomme ich für das Kleiderfach ein riesengroßes Schloss in die Hand gedrückt. Im Laufe der folgenden Tage sollte sich dies des Öfteren wiederholen. Vor allem in den älteren Bädern gibt es neben der Kasse auch noch die „Schlossfrauen“, die für die Ausgabe von Schlössern und das Einkassieren des Pfandes zuständig sind. An jenem Nachmittag habe ich in diesem Schwimmbad viel Platz, um meine Bahnen zu schwimmen. Je länger ich fast ungestört meine Kilometer abspule, desto stärker wird mein Eindruck, dass man sich hier eher auf einen Schwatz mit Freunden als zur ernsthaften Körperertüchtigung trifft.

Freie Bahn in Šutka
Am nächsten Morgen fahre ich von Žižkov aus fast 40 Minuten lang zu der neuesten und spektakulärsten Schwimmanlage der Hauptstadt, dem „Aquacentrum Šutka“ in Prag 8. Schon die Umkleide wirkt überdimensioniert. Fast 1.000 Schließfächer warten auf die Besucher. Für den leidenschaftlichen und regelmäßigen Hallenbad-Gänger sind die großzügigen Räume natürlich ein großer Gewinn. Vor allem jetzt, in der Anfangsphase, in der Schwimmvereine und Schulen noch keine Bahnen für sich reserviert haben. Um 9 Uhr morgens ist das Zentrum noch recht leer. Zwischenzeitlich befinden sich lediglich sechs Personen im Becken. Allerdings, so erklärt mit der Schwimmmeister, sei es hier am Wochenende rammelvoll.

Der Geruch von Chlor hängt nicht so stark in der Luft wie in vielen anderen Bädern. Spezielle UV-Lampen helfen, das Wasser sauber zu halten und erlauben somit, auf die übliche Chemiekeule zu verzichten. Ein tolles Extra ist die moderne Sauna, die im Preis enthalten ist. Das Schwimmbad in Šutka ist auch aus ästhetischer Sicht interessant. Der Grundstein für die Anlage wurde schon 1987 gelegt. Die intensive Bauphase fiel jedoch erst auf die letzten drei Jahre. Daher ist trotz des Glanzes des Neuen der Geist der achtziger Jahre noch durchaus zu spüren. Es gibt hier keine fließenden Formen, wie man das von neueren Schwimmbädern kennt. Alles ist kantig und die Farben sind schrill – nicht für jedermann Geschmack, dafür unkonventionell.

Test-Tag Nummer 3: Um die Mittagszeit begebe ich mich zu einem der ältesten Bäder der Stadt. Das „Lázně AXA“ ist Teil eines Hotelkomplexes aus den dreißiger Jahren. Wie in Šutka ist die Benutzung der Sauna im Preis inbegriffen. Neben der gemischten gibt es auch eine Frauen-Sauna. Vom Café aus erwartet mich ein schöner Blick auf das Schwimmbecken. Bei der Frage, ob ich fotografieren darf, äußert sich die Bedienung erst einmal sehr skeptisch. Nach längerem Zögern erklärt mir der Manager, dass sie schlechte Erfahrungen mit angeblichen Journalisten gemacht haben. Jemand hat in der Sauna gefilmt und dies veröffentlicht. Was genau aufgenommen wurde, bleibt unklar. Der Manager wirft mir ein kurzes Lächeln zu: „Jedenfalls war das sehr unangenehm“. Im Lázně AXA lässt es sich in sauberem Wasser angenehm schwimmen und die Infrarotsauna ist an diesem kalten Tag ein echter Segen.

Strudel vs. Minustemperaturen
Nach wohlverdientem „Sportler-Schlaf“ nehme ich mir in den Morgenstunden des vierten Tages den Klassiker unter den Prager Schwimmbädern vor: das Schwimmstadion Podolí in Prag 4. Es wurde 1965 fertiggestellt und stellte für die damalige Epoche eine architektonische Glanzleistung dar. Lange war es in Prag das einzige Schwimmbad mit einem 50 Meter-Innenbecken. Die Duschen und Becken sind ziemlich gut in Schuss gehalten. Der Dampfsauna sieht man hingegen an, dass sie schon bessere Zeiten erlebt hat. Eine Besonderheit ist das auch im Winter geöffnete Außenbecken. Selbst bei einer Temperatur von minus zehn Grad finden sich erstaunlich viele Hartgesottene, die lieber draußen ihre Bahnen schwimmen. Ich selbst gebe nach fünf Minuten auf und husche schnell rein, um im sympathischen Bistro einen leckeren Strudel zu essen.

Nachmittags steht der Besuch des Sportzentrums „Bazén Bohemians“ an. Schnell wird mir klar: Hier blieb die Zeit vor 40 Jahren stehen. Eine etwas ältere Dame an der Kasse lässt mich einen Schlüssel aus einem Plastikbecher ziehen und erklärt mir, dass ich für 80 Kronen 60 Minuten Aufenthalt erwerbe. Eine Sauna ist vorhanden, kostet aber extra. Die Umkleidekabinen wirken wie große Tierkäfige. In den Duschen schimmelt es an vielen Stellen und es mag belustigend wirken, dass die Flüssigseife an den Wasserhahn gebunden ist – wirklich praktisch ist es nicht. Insgesamt wirkt die Anlage ungepflegt. Das Becken, ja eigentlich die ganze Institution, lädt nicht unbedingt zu einem längeren Aufenthalt ein.

Eindeutiger Sieger
Das „Bazén Bohemians“ wird in negativem Sinne vom Erlebnisbad mit dem vielversprechenden Namen „Aquapark Lagoon“ getoppt. Im ganzen Komplex aus den späten neunziger Jahren riecht es stark nach Urin und Chlor. Die Duschen und die Toi­letten rufen atemberaubend schnell größten Ekel hervor. Das Basisangebot beinhaltet zwei Stunden für 140 Kronen – ohne Sauna. Das ist viel zu teuer, selbst für Prager Verhältnisse. Schon nach zwanzig Minuten Schwimmen entscheide ich mich zum ersten Mal, einen Besuch vorzeitig abzubrechen. Eine letzte Chance gebe ich noch der 86 Meter langen Rutsche.

Auch hier werde ich bitter enttäuscht. Da die einzelnen Teile der Rutsche äußerst unsorgfältig zusammengeschweißt worden sind, ist dieses Wagnis vor allem eine Zumutung für meinen Rücken. Der Spaßfaktor bleibt in diesem Erlebsnisbad komplett auf der Strecke.

Meinen Favoriten habe ich nach einer Woche schnell ausgemacht: Das neu errichtete Aquazentrum Šutka bietet das beste Preis-Leistungs-Verhältnis, liegt aber leider etwas weit außerhalb des Stadtzentrums – den begeisterten Schwimmsportler dürfte dies nicht vor regelmäßigem Besuchen in Prag 8 abhalten.