Vom Gefängnis in die Fleischfabrik

Vom Gefängnis in die Fleischfabrik

Der Wursthersteller Kostelecké uzeniny findet keine Arbeiter. Deswegen beschäftigt er jetzt Häftlinge

7. 5. 2015 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: daspunkt

Etwa 50 Kilometer trennen Kostelec u Jihlavy und Světlá nad Sázavou – keine geringe Distanz, wenn man sie zweimal täglich zurücklegen muss. Für 15 Frauen aus dem Gefängnis in Světlá wird die Strecke ab Mitte Mai der Weg zur Arbeit werden: Um 4.15 Uhr wird ein Bus sie nach Kostelec bringen und um 17.30 Uhr zurück ins Gefängnis. Um 19 Uhr werden sie wieder hinter Gittern sein. Dazwischen sollen sie für das Unternehmen Kostelecké uzeniny Rind, Schwein oder Huhn zu Fleischkonserven und Wurstwaren verarbeiten. Der Grund: Es gebe derzeit nicht genügend geeignete Bewerber um Stellen als Arbeiter, erklärte Personalchef Zdeněk Lidmila den Schritt des Betriebs gegenüber der Tageszeitung „Deník“.

Die Kooperation mit dem Gefängnis soll zunächst ein halbes Jahr dauern. Falls sie sich bewährt, soll sie fortgesetzt werden. Den entsprechenden Vertrag hat die Firma mit der Haftanstalt unterzeichnet, nicht mit den Gefangenen direkt. Die Entlohnung werde laut den Bestimmungen des Strafgesetzes erfolgen, hieß es.

Erstmals wieder Gewinne

Kostelecké uzeniny ist der größte fleischverarbeitende Betrieb des Landes und gehört zum Konzern Agrofert von Finanzminister und ANO-Chef Andrej Babiš. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Unternehmen erstmals seit 2009 wieder einen Gewinn. Er belaufe sich auf mehr als 50 Millionen Kronen (etwa 1,8 Millionen Euro), teilte Generaldirektor Jan Hanuš im Dezember mit. Im Vorjahr hatte Kostelecké uzeniny noch 77 Millionen Kronen Verlust gemacht. Inzwischen wurde das Sortiment von 900 auf etwa 550 Fleischprodukte verkleinert.

Die Frauen, die nun bei deren Herstellung helfen sollen, seien wegen weniger schweren Straftaten verurteilt und hätten bereits in der Vergangenheit außerhalb des Geländes gearbeitet, sagte eine Sprecherin der Haftanstalt laut „Deník“. Rund 60 Prozent der Inhaftierten in Světlá gehen direkt auf dem Gelände oder außerhalb einer Beschäftigung nach. Derzeit sind es etwa 200 Verurteilte, die das Gefängnis zum Arbeiten verlassen. Einige von ihnen sind in einer Süßwarenfabrik in Humpolec angestellt, etwa 20 Kilometer von der Haftanstalt entfernt. Interesse an den Sträflingen haben auch andere Betriebe. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist dem Zeitungsbericht zufolge so hoch, dass die Haftanstalt schon einer Reihe von Firmen absagen musste. 

WURST MIT TRADITION

Kostelecké uzeniny wurde 1917 als „Fabrik für Selchwaren und Konserven“ in Kostelec bei Jihlava (Iglau) gegründet. In den zwanziger Jahren erhielt das Unternehmen die Erlaubnis, Konserven für die tschechoslowakische Armee herzustellen, 1927 zählte es knapp 700 Angestellte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Firma verstaatlicht und 1992 wieder privatisiert. Heute werden in den Werken in Kostelec und in Planá nad Lužnicí nahe Tábor Produkte aus Schweine-, Rind- und Hühnerfleisch hergestellt, die unter den Markennamen Kostelecké uzeniny und Maso Planá verkauft werden.