Verborgene Schätze

Verborgene Schätze

Mehr als 800 Jahre Bergbau haben das Erzgebirge zu einer Kulturlandschaft geformt – jetzt soll es Welterbe werden

29. 1. 2014 - Text: Corinna AntonText: Corinna Anton; Foto: Wirtschaftsförderung Erzgebirge

Wer an Weltkulturerbe in Tschechien denkt, dem kommt wahrscheinlich das historische Zentrum von Český Krumlov in den Sinn oder das Schloss Litomyšl, die Dreifaltigkeitssäule von Olomouc oder die Prager Altstadt. Die Bergbauregion Erzgebirge entlang der deutsch-tschechischen Grenze dagegen würde kaum jemand in der Reihe der zwölf Stätten nennen, die sich hierzulande bisher mit dem Prädikat Weltkulturerbe schmücken dürfen. Das könnte sich im kommenden Jahr ändern. Denn nicht nur Pittoreskes und Prachtbauten gehören auf die Liste der Unesco, sondern auch die „einzigartige montane Kulturlandschaft“ an der sächsisch-tschechischen Grenze – so sehen es die Initiatoren des gemeinsamen Welterbeantrags für die Region Erzgebirge/Krušnohoří, der in der vergangenen Woche von sächsischen und tschechischen Politikern unterzeichnet wurde.

Das mögliche „Welterbegebiet“ ist dem Antrag nach mehr als 12.000 Hektar groß. Etwas mehr als die Hälfte der Gesamtfläche ist als Welterbegut nominiert, der Rest wird als „Pufferzone“ bezeichnet. Der wesentlich größere Teil des Areals liegt auf der deutschen Seite der Grenze und erstreckt sich von Rothschönberg westlich von Dresden über Freiberg und Annaberg-Buchholz bis zur Bergbaulandschaft Eibenstock südlich von Zwickau. Auf tschechischer Seite gehören unter anderem die Montanlandschaft Krupka nordwestlich der Stadt Ústí nad Labem zum Antragsgebiet, sowie im Norden von Karlovy Vary der Berg Mědník, der Rote Turm des Todes in Vykmanov und der Kalkofen und der Steinbruch in Háj u Loučné pod Klínovcem. Insgesamt beinhaltet der Antrag auf sächsischer Seite etwa 500 einzelne Objekte, auf tschechischer sind es 23, was zeigt, dass der Einfluss des Montanwesens in der Region bis heute vielerorts sichtbar ist.

Montane Kulturlandschaft
Der Grundstein dafür wurde bereits im Jahr 1168 gelegt, als beim heutigen Freiberg erstmals Silber entdeckt wurde.
Der Bergbau erfasste in den folgenden Jahrhunderten das gesamte Erzgebirge. Zahlreiche Bergstädte und Bergsiedlungen wurden gegründet. In den Gruben wurden neben Silber auch andere Erze wie Eisen, Blei, Kupfer, Kobalt und Uran abgebaut, verhüttet und teilweise weiterverarbeitet.

In der Antragsschrift wird das Erzgebirge deshalb als „das Resultat eines über Jahrhunderte andauernden Entwicklungsprozesses in der Auseinandersetzung des Menschen mit den naturräumlichen Gegebenheiten der Region“ bezeichnet. Mehr als 800 Jahre berg- und hüttenmännische Arbeit hätten das Erzgebirge „zu einer montanen Kulturlandschaft“ geformt, die ihren besonderen und einzigartigen Charakter bis heute bewahrt habe. Das Montanwesen habe Sachsen und Böhmen seit dem ausgehenden Mittelalter den Aufstieg zu den gewerblich und kulturell mit am weitesten entwickelten und reichsten Territorien in Europa ermöglicht.

Welterbe-Status sollen sowohl mehrere Bergbaugebiete mit ihren Montandenkmälern als auch Siedlungen und vom Bergbau geprägte Landschaften auf beiden Seiten der Grenze erhalten. Sie sind den Antragstellern zufolge „von zentraler Bedeutung, um den Entwicklungsprozess der montanen Kulturlandschaft, ihre weltweite Bedeutung und den prägenden Einfluss des Montanwesens auf deren Entwicklung vom 12. bis ins 20. Jahrhundert zu verstehen.“ Hervorgehoben wird im Antrag auch die grenzüberschreitende Bedeutung: Die „Montane Kulturlandschaft Erzgebirge/Krušnohoří“ sei als „eine geographische, historische und kulturelle Einheit zu verstehen, die sowohl die bergbaulichen Aktivitäten beiderseits der deutsch-tschechischen Grenzen als auch die vielfältige Wechselbeziehung zwischen dem sächsischen und dem böhmischen Teil des Erzgebirges aufzeigt.“

Angst vor Einfluss der Unesco
In Sachsen wurde der Antrag mehrere Jahre vorbereitet, allerdings war er nicht unumstritten. Befürworter erhofften sich unter anderem ein besseres Image und mehr Touristen für die Region, Gegner fürchteten vor allem strenge Auflagen und zu viel Einfluss der Unesco. Sie erinnerten daran, dass die Unesco dem Dresdner Elbtal wegen des Baus der Waldschlösschen-Brücke den Welterbe-Status aberkannt hatte. „In Dresden schien der Beweis geführt, dass wirtschaftliche Entwicklung und Weltkulturerbe nicht zusammenpassen“, erklärt Helmuth Albrecht, Professor für Technikgeschichte und Industriearchitektur an der Technischen Universität Freiberg und einer der Verfasser des Unesco-Antrags, die langjährige Skepsis auf sächsischer Seite.

Im Erzgebirge wolle man nun den Gegenbeweis antreten, so Albrecht. Das Landeskabinett hatte sich seit 2011 offiziell dreimal mit dem Welterbeprojekt der Montanregion befasst und sich vor zwei Jahren für einen gemeinsamen sächsisch-tschechischen Welterbeantrag unter deutscher Federführung ausgesprochen. Kurz darauf nahm eine sächsisch-tschechische Steuerungsgruppe die Arbeit auf, um den Antrag vorzubereiten. Sie bestand auf sächsischer Seite aus Vertretern des sächsischen Innenministeriums, des Landesamtes für Denkmalpflege und der Region. Die tschechischen Mitglieder kamen aus dem tschechischen Kulturministerium und der nationalen Denkmalbehörde.

Insgesamt 1.430 Seiten Material haben die Steuerungsgruppe und die Experten, die für die fachliche Unterstützung zuständig waren, in den vergangenen Jahren zusammengetragen – darunter ein umfassender Kartenband und ein Managementplan. Diese Dokumente werden in den kommenden Tagen zusammen mit dem gut 500 Seiten dicken „Welterbeantrag“ bei der Unesco in Paris eingehen. Mit einer Entscheidung wird frühestens im kommenden Jahr gerechnet.

Anders als in Tschechien wäre auf deutscher Seite das Erzgebirge nicht die erste Unesco-Weltkulturerbestätte, die auf den ersten Blick wenig mit kulturellen Bauwerken gemein hat: Zwischen dem Kölner Dom und der Altstadt von Bamberg befinden sich auf der Liste unter anderem auch der Industriekomplex Zeche und Kokerei Zollverein in Essen, das Erzbergwerk Rammelsberg bei Goslar und die Oberharzer Wasserwirtschaft.