„Unmoralisch und verantwortungslos“
Proteste gegen kommunistische Schulrätin im Südböhmischen Kreis weiten sich aus – Widerstand auch in Karlovy Vary und Olomouc
5. 12. 2012 - Text: Friedrich GoedekingText: Friedrich Goedeking; Foto: čtk
„Die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens hat sich bis heute nicht mit ihrer Vergangenheit auseinandergesetzt und hat sich offiziell nicht von den bis 1989 verübten Verbrechen und der Politik der KSČ distanziert. Es ist deshalb unmoralisch, wenn eine Repräsentantin dieser Partei ausgerechnet in diesem sensiblen Bereich die Verantwortung übernehmen soll.“
Mit diesen Worten wendet sich der tschechische PEN-Club gegen die Ernennung von Vitězslava Baborová (KSČM) zur Leiterin der Abteilung Schule und Kultur im Kreis Südböhmen. Die Literaten erklären sich solidarisch mit den Protesten, die sich seit fast einem Monat gegen die Übernahme des Bildungs- und Kulturressorts durch die Kommunisten richten.
Nach den Regionalwahlen im Oktober hatte sich im Südböhmischen Kreis eine Regierungskoalition der Sozialdemokraten (ČSSD) mit der KSČM gebildet. Begonnen hatte der Widerstand mit einem Unterrichtsstreik an einigen Gymnasien und der Pädagogischen Hochschule in České Budějovice (Budweis). Eine Petition ist inzwischen von mehr als 10.000 Bürgern unterschrieben worden. An Protestversammlungen auf dem Marktplatz der südböhmischen Kreisstadt nahmen mehrere hundert Menschen teil. Inzwischen haben sich auch Künstler und Hochschulprofessoren, unter ihnen der Rektor der Südböhmischen Universität Libor Grubhoffer, sowie die Führung der Christdemokratischen Union (KDU-ČSL) der Initiative angeschlossen. Die nächste Protestversammlung in České Budějovice ist für den 18. Dezember geplant. Ein symbolisches Datum, denn an diesem Tag war vor einem Jahr Václav Havel verstorben.
Bohumíner Beschluss soll neu diskutiert werden
Der sozialdemokratische Kreishauptmann Südböhmens Jiří Zimola hält die Proteste für hysterische Reaktionen. Die Koalition sei ein Ausdruck des Wählerwillens. Schließlich hätten ČSSD und KSČM die meisten Stimmen bekommen. Zwischen den beiden Parteien gäbe es große Gemeinsamkeiten, vor allem was die Sozial- und Gesundheitspolitik betrifft.
Dagegen wenden die Organisatoren des Protestes ein, dass eine Koalition der ČSSD mit den bürgerlichen Parteien über eine noch größere Mehrheit verfügt hätte. Die Protestbewegung richtet sich vor allem dagegen, dass die ČSSD in zunehmendem Maße mit den Kommunisten zusammenarbeitet. In 9 von 13 Regionen der Tschechischen Republik bestehen derzeit Koalitionen beziehungsweise Tolerierungsabkommen zwischen den beiden linksgerichteten Parteien. Kritiker werfen den Sozialdemokraten vor, dass sie in den Regionen die Zusammenarbeit mit den Kommunisten im Blick auf eine mögliche Koalition auf gesamtstaatlicher Ebene testen wollen.
Im Jahr 1995 hatte die ČSSD auf einem Parteitag in Bohumín bei Ostrava den Beschluss gefasst, keine Koalition mit den Kommunisten einzugehen. Jetzt erklärte der Vorsitzende der ČSSD Bohuslav Sobotka, dass dieser Beschluss neu diskutiert werden könnte und zumindest die Duldung einer Minderheitenregierung der ČSSD durch die Kommunistische Partei für ihn eine Option sei. Er verteidigte außerdem den sozialdemokratischen Kandidaten für das Präsidentenamt Jiří Dienstbier, der die KSČM, die keinen eigenen Präsidentschaftsanwärter aufgestellt hat, gebeten hatte, ihn bei seiner Kandidatur zu unterstützen.
Weitere Abberufungen gefordert
Nachdem auch in der Region Karlovy Vary (Karlsbad) ein Mitglied der KSČM zum Leiter des Schulressorts gewählt wurde, regt sich auch dort Widerstand. In einem offenen Brief fordern Lehrer die Abberufung des kommunistischen Schulrats Václav Sloup. Es sei nicht hinnehmbar, dass an der Spitze des Schulressorts ein Mann stehe, der als Politoffizier für die Grenztruppen und als Funktionär des Geheimdienstes für das kommunistische Regime tätig gewesen ist.
Protest regt sich auch im Osten des Landes: An der František-Palacký-Universität in Olomouc (Olmütz) fordern Dozenten, die Ernennung eines Kommunisten zum Kreisschulrat rückgängig zu machen. Eine entsprechende Petition mit 400 Unterschriften war zu Beginn dieser Woche dem sozialdemokratischen Kreishauptmann Jiří Rozbořil übergeben worden.
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