Ungeahnter Charme
Ein Besuch in Smetanas Geburtsstadt Litomyšl
19. 3. 2015 - Text: Peter HuchText: Peter Huch; Foto: János Korom Dr.
Das ostböhmische Litomyšl wirkt auf den ersten Blick wie eine typische tschechische Kleinstadt. Das Zentrum der Geburtsstadt Bedřich Smetanas wird von einem langgestreckten Marktplatz beherrscht, den pittoreske Bürgerhäuser säumen. Das Stadtbild prägen zudem zwei vom Ortskern nur wenige Querstraßen entfernte Kirchen sowie ein kleiner Bachlauf, der durch das Herz Litomyšls rinnt.
Doch Litomyšl weist bei näherer Betrachtung in seinem kleinstädtischen Charme einige Besonderheiten auf. An erster Stelle steht das im 16. Jahrhundert entstandene Renaissance-Schloss, das seit 1999 zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört. Das auf einem Hügel gelegene Schmuckstück mit seinem quadratischen Grundriss ist ein typisches Beispiel für mitteleuropäische Adelsresidenzen. Seine Fassade zieren kunstvolle Sgraffiti und geschwungene Giebel.
Das Schloss beherbergt eine Sammlung von mehr als 8.000 Sgraffito-Malereien. Es verfügt außerdem über ein altes Barocktheater mit erhaltenen Kulissen, einen Pferdestall, eine Reitschule sowie einen französischen und einen englischen Garten.
An ihren berühmten Sohn erinnert die Stadt jährlich während des Internationalen Opernfestivals Smetanas Litomyšl. Der Tradition gemäß findet es unter freiem Himmel im Schlosshof statt, in diesem Jahr von 11. Juni bis 5. Juli. In der Brauerei des Schlosses können Besucher das Geburtszimmer des Komponisten besichtigen.
Unweit des Schlosses, am ehemaligen Piaristenkloster, erstrecken sich auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt die Klostergärten. Sie wurden im Renaissancestil angelegt und später barock umgestaltet, und dienten auch als Zier- und Nutzgärten. Nach 1948 waren sie nicht mehr zugänglich und verwahrlosten zunehmend. 1999 wurden sie saniert und als Stadtpark für die Öffentlichkeit wieder geöffnet.
Bemerkenswert im Stadtbild sind die Hausverzierungen in der Josef-Váchal-Straße. Die Außenwände der Gebäude zeigen Trinksprüche und Motive aus dem „Blutigen Roman“ des Schriftstellers und Künstlers. Inmitten dieser Gemälde befindet sich auch der altertümliche Eingang zum urigen Café „Na slípku”, in das auch Váchal hin und wieder eingekehrt sein soll.
Jenseits der viel beschrittenen Wege hat die Stadt vor allem in den verborgeneren kleinen Straßen einiges für die Besucher zu bieten. So wird im Gasthaus „Veselka“ gegenüber dem Portmoneum das süffige Bedřich-Bier gebraut. Die Geschichte des Wirtshauses reicht bis ins Jahr 1877 zurück. Auf der Speisekarte lässt sich nicht verbergen, dass die Region auch für ihre Fischzucht bekannt ist. So bietet das „Veselka“ unter anderem die ursprünglich südböhmische Delikatesse Karpfen-Fritten an.
Besucher der Stadt sollten auch einen Ausflug in die Umgebung unternehmen, die als „Mikroregion Litomyšl“ mehrere Ortschaften umfasst. Ein Wanderwochenende kann man im nahegelegenen Naturreservat Maštale erleben. Einen guten Startpunkt für Exkursionen zu Fuß oder mit dem Fahrrad bildet die Kleinstadt Proseč, in der die Brüder Thomas und Heinrich Mann in den dreißiger Jahren kurzfristig Zuflucht vor den Nationalsozialisten fanden.
Von drei Himmelsrichtungen aus wird das Städtchen von der von Menschenhand nahezu unberührten Hügellandschaft umgeben. Besonders lohnenswert ist der Weg nordwärts, in Richtung Bor u Skutče. Man passiert als Radfahrer oder Wanderer beeindruckende Sandsteingebilde, Felsschluchten, kleinere Höhlen, wunderschöne Lichtungen und eine vielfältige Flora mit Farnen und Moosflechten. Am bekanntesten ist der Fels „Ei des Kolumbus”, ein obeliskenartiger Fels an der Ostgrenze des Naturparks. Eine Legende besagt, dass im 15. Jahrhundert ein geheimnisvoller Raubritter durch die einsamen Wälder zog.
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An der Blutigen Straße