„Und Finsternis wird kommen“

„Und Finsternis wird kommen“

Das Rudolfinum gibt einen Überblick über die figurative Malerei der Gegenwart

18. 4. 2013 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: Attila Szűcs/Erika Deák Gallery

„Es ist, als würde Dunkelheit die Welt durchziehen“, beschreibt Kuratorin Jane Neal die Werke der Künstler, die sie für das Ausstellungsprojekt „Nightfall“ („Einbruch der Dunkelheit“) zusammengestellt hat. Über 20 Vertreter der zeitgenössischen figurativen Malerei umfasst die Schau, die im vergangenen Oktober im ungarischen Debrecen ihre Premiere erlebte. Derzeit ist sie in der Galerie des Rudolfinums zu sehen. Mit Exponaten aus neun verschiedenen Ländern gibt sie einen Überblick über Tendenzen in der internationalen figürlichen Malerei der Gegenwart; einen Schwerpunkt bilden dabei die Werke der sogenannten „Neuen Leipziger Schule“ mit den Vertretern Neo Rauch, Matthias Weischer und Tim Eitel sowie die Maler aus dem Kreis der Kunsthochschule im rumänischen Cluj Napoca, repräsentiert durch Marius Bercea, Serban Savu und Mircea Suciu.

Das Leitthema der Ausstellung beruht auf „Einbruch der Dunkelheit“ des russisch-amerikanischen Schriftstellers Isaac Asimov. Die Kurzgeschichte dreht sich um eine Zivilisation, die bisher – da sie einen Planeten bevölkert, der von sechs Sonnen umkreist wird – nur konstanten Sonnenschein erlebt hat. Finsternis droht den Bewohnern, als ein neuer Planet entdeckt wird, der eine der Sonnen verdecken wird. Finsternis als Sinnbild für Unsicherheit, Krise und Bedrohung schwingt auch in den ausgestellten Bildern mit. Was die meisten der hier gezeigten Maler eint, ist ihr Hang zum Düsteren, Atmosphärischen und zu unbehaglichen Gegenständen.

Die Werke thematisieren Einsamkeit, Entfremdung, Angst und Orientierungslosigkeit, aber auch die wachsende Kluft zwischen Natur und Zivilisation, zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Ideal und Realpolitik. Gemein ist den Künstlern außerdem ihre Kindheit während des Kalten Krieges. Sie alle wuchsen in einer Zeit auf, als sich der Konflikt zwischen Ost- und Westblock bedrohlich zuspitzte. Alle erlebten später den Sturz des Kommunismus, die gravierenden Veränderungen in den postsozialistischen Staaten, Hoffnung und Ernüchterung. Präsentiert werden die teilweise bedrückenden, mitunter ironischen, hin und wieder dreisten Bildwerke in fünf evokativen Bereichen: „Zerrüttete Landschaft und verdorbene Schönheit“, „Porträtmalerei – Ringen um Identität und Verborgenes“, „Unter der Decke der Dunkelheit“, „Malerei und Kino“ sowie „Zuhause aber nicht in Sicherheit“.

„So wie die Nacht nicht plötzlich hereinbricht, kommt auch Bedrücktheit nicht jäh über uns. In beiden Fällen existiert eine Art Zwielicht, in dem alles gleich scheint. In diesem Zwielicht müssen wir uns der Veränderung, die in der Luft liegt, bewusst sein – so klein diese auch ist, damit wir nicht zu ahnungslosen Opfern der Dunkelheit werden“, schrieb einst William Orville Douglas, leidenschaftlicher Verfechter der Freiheitsrechte. „Nightfall“ ist Zeugnis davon, was Kunst bewirken kann, wenn sie sich dieser Dunkelheit nicht verweigert und den Finger auf die Grauzone zwischen Licht und Finsternis legt.

„Nightfall. New Tendencies in Figurative Painting“. Galerie Rudolfinum. (Alošovo nábřeží 12, Prag 1), Di.–Mi., Fr.–So. 10–18 Uhr, Do. 10–20 Uhr (montags geschlossen), Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 70 CZK), bis 24. Mai