Umstrittene Gesetzesänderung

Umstrittene Gesetzesänderung

Analysten: Höhere Steuern bringen nicht unbedingt mehr Geld

14. 11. 2012 - Text: Bernd RudolfText: Bernd Rudolf; Foto: PZ

Nach langen Diskussionen hat das Parlament am Mittwoch vergangener Woche das Steuerpaket verabschiedet. Der wichtigste Punkt darin ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer ab Januar nächsten Jahres von derzeit 14 auf 15 Prozent beziehungsweise von 20 auf 21 Prozent. Ab 2016 will die Regierung dann die beiden Mehrwertsteuersätze auf 17,5 Prozent angleichen.

Die Änderung der Lohnsteuer soll dagegen erst im Jahr 2015 umgesetzt werden. Nach dem geplanten Modell sollen vor allem die unteren und mittleren Einkommensgruppen entlastet werden. Während Arbeitnehmer mit einem Bruttoeinkommen von bis zu 40.000 Kronen ab 2015 weniger Steuer zahlen müssen, werden Besserverdiener mit einem Einkommen über 100.000 Kronen mit einem sogenannten „Solidaritätsbeitrag“ in Höhe von 7 Prozent zusätzlich zur Kasse gebeten. Allerdings muss der Senat dem Gesetz noch zustimmen.

Falsches Signal
Nach Ansicht der Analystin von Next Finance Markéta Šichtařová ist die Mehrwertsteuererhöhung ein falsches Signal. „In einem instabilen Umfeld bedeutet dies einen großen Schlag gegen die Wirtschaft“, erklärt die Expertin gegenüber der „Prager Zeitung“. Das Paradoxe daran sei, dass bereits zu Beginn dieses Jahres die Mehrwertsteuer erhöht wurde. Schon damals habe die Anhebung des niedrigeren Satzes von 10 auf 14 Prozent kaum Mehreinnahmen für den Staat gebracht. „Das wird auch dieses Mal wieder der Fall sein“, so Šichtařová.

Laut Berechnungen des Finanzexperten von Patria Finance David Marek könnte der Staat theoretisch mit Mehreinnahmen in Höhe von 16,5 Milliarden Kronen rechnen, falls sich das Konsumverhalten der Bürger nicht ändert. „Die Verbraucherpreise werden durch die Anhebung der Steuer zusätzlich um 0,8 Prozentpunkte steigen“, so Marek. Den Privathaushalten würden dann 186 Kronen pro Monat fehlen. Die Nachfrage nach Konsumgütern würde weiter sinken. Nach Einschätzung von Šichtařová könnte sich die Krise verschärfen, zumal Tschechien auch ein Transitland ist. „Wir haben schon heute die höchsten Steuern auf Benzin und Diesel. Viele Lastwagenfahrer werden nicht mehr an tschechischen Tankstellen Halt machen, sondern nach Deutschland und Polen ausweichen“, so die Finanzexpertin. Auch würden immer mehr im Grenzgebiet lebende Tschechen ihren Einkauf im Ausland tätigen. „In Deutschland gilt ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz in Höhe von 7 Prozent auf Lebensmittel, Medikamente und anderen Dingen des täglichen Bedarfs. Daher sind einige Waren in Deutschland erheblich billiger als bei uns“, erklärt Šichtařová.

Zentralbank steuert gegen
Um die Wirtschaft anzukurbeln, hatte die Tschechische Zentralbank (ČNB) in diesem Jahr immer wieder die Zinsen gesenkt. Seit der vergangenen Woche befindet sich der Zinssatz auf einem Rekordminimum von 0,05 Prozent. „Es ist schon auffällig, wie die Zentralbank versucht, die Wirtschaft durch Zinssenkungen zu beleben und die Regierung mit ihrer Politik das Gegenteil erreicht“, sagte ein Sprecher des Verbandes für Handel und Tourismus (SOCR ČR). Tatsächlich ist die Industrieproduktion seit März dieses Jahres im Jahresvergleich kontinuierlich zurückgegangen.

Unverständnis für das Steuerpaket zeigen auch einige ODS-Abgeordnete. Allen voran die Gruppe der sogenannten Rebellen um Petr Tluchoř. In der vergangenen Woche hatte sich auch der Abgeordnete Boris Šťastný zu Wort gemeldet und das Paket in dieser Form kritisiert, gleichwohl er diesem als „loyaler Abgeordneter“ zugestimmt hatte. „Wir kehren jetzt zum Nullpunkt zurück, das war die schlechteste Variante“, so der Sprecher des  Gesundheitsausschusses.

Während er mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer keine Probleme hätte, sei ihm vor allem die Anhebung der Einkommensteuer für Besserverdienende ein Dorn im Auge. „Ich werde das Paket in dieser Form wahrscheinlich kein zweites Mal unterstützen“, so Šťastný. Das widerspreche den Grundsätzen der ODS.

Ob die Steuerreform in der jetzigen Form Realität wird, ist ungewiss, da der Senat dem Paket noch zustimmen muss. Dort verfügen die linken Parteien über eine Mehrheit. Am Montag haben die Sozialdemokraten (ČSSD) angekündigt, das Vorhaben der Regierung nicht zu unterstützen. Jedoch kann die obere Parlamentskammer das Gesetzespaket nur ein einziges Mal zurückweisen. Dasselbe gilt später bei der Unterzeichnung durch den Präsidenten. Beobachter und Experten rechnen mit einer Kompromisslösung. Demnach würden die beiden Mehrwertsteuersätze bereits ab Januar 2013 auf 17,5 Prozent angeglichen und vereinheitlicht.