Interview

„Um das tschechische Damentennis mache ich mir keine Sorgen“

„Um das tschechische Damentennis mache ich mir keine Sorgen“

Der Sportdirektor des Tennisverbandes ČTS erläutert die Gründe für den Erfolg seines Sports in Tschechien

10. 11. 2015 - Text: Stefan Welzel, Foto: privat

Die Erfolge des tschechischen Tennis in den letzten Jahren sind herausragend und führen die beeindruckende Liste der Siege des Verbandes fort. Wie erklären Sie sich die Stärke und Popularität der Sportart hierzulande, besonders des Damentennis?

Jaroslav Balaš: Auf diese Frage eine angemessene Antwort zu geben, würde wahrscheinlich mehrere Seiten füllen. Um mich dennoch kurz zu fassen, möchte ich den Erfolg an fünf entscheidenden Punkten festmachen: Erstens, unser Verband tut sehr viel, um den Sport breit zu fördern. Dies geschieht, und das ist schon Punkt zwei, auf der Basis einer langen und großen Tradition. Drittens: Tschechiens Tennis hat schon immer über ausgezeichnete Vorbilder verfügt. Dazu gehören unter anderem Namen wie Jaroslav Drobný, Jan Kodeš, Ivan Lendl, Tomáš Šmíd, Petr Korda – heutzutage sind es Tomáš Berdych oder Radek Štěpánek. Bei den Damen sind es Helena Suková, Martina Navrátilová, Hana Mandlíková oder Jana Novotná – und heute Petra Kvitová sowie Lucie Šafářová. Zum Erfolgsrezept gehören natürlich auch hervorragende Trainer sowie letztlich die Opferbereitschaft und Hingabe der Eltern junger Talente.

Was tut der Verband, damit der Erfolg auf Profiebene erhalten bleibt?

Balaš: Wir haben ein mehrstufiges Nachwuchsfördersystem entwickelt, vom „Mini-Tennis“ bis zu den großen nationalen Tenniszentren. Wir verfügen außerdem über ein ausgezeichnetes System mit zahlreichen nationalen sowie internationalen Jugendturnieren aller Altersklassen, die wir in Zusammenarbeit dem kontinentalen Verband „Tennis Europe“ und dem Internationalen Tennisverband ITF organisieren. Wir beteiligen uns ebenso an der Durchführung von ITF-Turnieren auf Profiebene, wo unsere Talente die Möglichkeit haben, mit möglichst kleinem Aufwand erste Punkte auf ATP- oder WTA-Stufe zu sammeln.

Seit diesem Jahr verfügt Tschechien mit dem „J&T Banka Prague Open“ nach längerer Durststrecke wieder über ein offizielles WTA-Turnier. Wie waren die Reaktionen beim Publikum und bei der WTA? Bleibt uns die Veranstaltung auch in Zukunft erhalten?

Balaš: In das Turniergelände beim Stromovka-Park in Holešovice sind während einer Woche rund 15.000 Zuschauer gekommen. Schön war, dass es sechs tschechische Spielerinnen ins Viertelfinale geschafft haben. Und den Titel hat sich mit Karolína Plíšková eine Einheimische geholt, die es später im Jahr noch bis in die Top-Ten schaffen sollte.WTA-Gutachterin Kerrilyn Cramer sprach von einer fantastischen Woche, in der alles perfekt lief. Beim Finale war mit Laurence Applebaum auch der Vizepräsident der WTA anwesend. Nach der Siegerehrung überreichte er uns eine Plakette mit der Inschrift „Willkommen in der WTA-Familie“. Das Prager Turnier hat nun definitiv seinen festen Platz im WTA-Kalender bekommen.

Wie bei den Männern wird auch das Frauentennis immer physischer, was ältere, robustere Spielerinnen bevorteilt. Was muss man tun, um vor allem junge Spielerinnen früh auf ein hohes physisches Niveau zu bringen?

Balaš: Auch hierzu könnte man eine Master-Arbeit schreiben. Der Aufbau einer Spielerin zur Topathletin gleicht einem Langstreckenlauf. Grundsätzlich braucht ein Talent einen guten Trainer, der es in allen Aspekten des Sports auf höchstem Niveau berät und begleitet. Wie die Methoden und Rahmenbedingungen genau aussehen, hängt von der einzelnen Spielerin ab. Klar ist: die Besten brauchen Leute um sich herum, die gut darauf achten, physischen Aufbau und Regeneration im Gleichgewicht zu halten. Eine gute Balance ist hier sehr wichtig.

Wie zentral sind Vorbilder wie Petra Kvitová für die Karriere von Nachwuchsspielerinnen?

Balaš: Petra dient als großes Vorbild und gibt den Weg vor. Sie überzeugt nicht nur durch ihren sportlichen Erfolg, den sie durch hohen Einsatz und viel Eifer erreicht, sondern auch durch ihr sympathisches und natürliches Auftreten sowie ihre Treue zum Fed-Cup-Team. Für die Jungs ist es Tomáš Berdych, der über Jahre hinweg der wichtigste Leistungsträger im Davis-Cup-Team war und seit mehreren Spielzeiten konstant in den Top-Ten der ATP-Weltrangliste steht.

Gibt es schon ein nachrückendes Talent, bei dem Sie denken: Das könnte die nächste Top-Spielerin werden?

Balaš: Von ersten Jugenderfolgen bis hin zum großen Tennis der Profis ist es ein langer und anspruchsvoller Weg. Trotzdem glaube ich, dass es einige unserer Mädchen schaffen können. In diesem Jahr gewann das tschechische Mädchen-Team in der Kategorie bis 16 Jahre die Weltmeisterschaft und den Junior-Fed-Cup. Von den Vertreterinnen dieser Generation wie Markéta Vondroušová, Monika Kilnarová oder Anna Slováková werden wir in Zukunft noch hören.Aktuell feiern die 19-jährigen Kateřina Siniaková und Barbora Krejčíková erste Erfolge auf der Tour. Das bedeutet aber keinesfalls, dass nicht noch neue, völlig unbekannte Namen auftauchen können. Um das tschechische Frauentennis mache ich mir auf jeden Fall keine Sorgen.