Tschechien verliert eine Traditionsmarke

Tschechien verliert eine Traditionsmarke

Das Avia-Werk schließt. Dem indischen Mutterkonzern sind die EU-Emissionsnormen zu streng

19. 6. 2013 - Text: Nancy WaldmannText: nw/čtk; Foto: wikipedia

Bereits zum 31. Juli stellt Avia die Produktion im Lkw-Werk im Prager Stadtteil Letňany ein, teilte am Dienstag der in Indien ansässige Mutterkonzern Avia Ashok Leyland mit. Schon in den vergangenen Monaten schien das Werk beinah stillzustehen. Nur vier Fahrzeuge sollen in diesem Jahr vom Band gelaufen sein. Um 56 Prozent auf 665 Millionen Kronen (25,9 Millionen Euro) war der Umsatz zwar 2012 gestiegen – dennoch, es reichte nicht, um den Betrieb zu halten. Gut tausend Fahrzeuge hatte man abgesetzt und damit den Verkauf um zwei Drittel gesteigert – es hilft den 227 Beschäftigten des Prager Betriebs nicht. Denn um rentabel zu sein, müsste man 3.000 im Jahr verkaufen.

Avia war ursprünglich in der Luftfahrt tätig. Die Flugzeugfabrik wurde 1919 in Vysočany gegründet. Nachdem Avia zunächst lizenzierte Typen fertigte, entwickelten die Konstrukteure Pavel Beneš und Miroslav Hajn bald ein eigenes Modell, das tschechoslowakische Kampfflugzeug Avia B-534. Im Jahr 1931 eröffnete das Werk in Letňany, wo die Firma ebenfalls Flugzeuge herstellte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann Avia in Letňany auch Lkw und Busse zu produzieren, allerdings nicht unter dem Namen Avia, sondern für Škoda. Der erste Lkw aus der Fabrik war 1947 der Škoda 706. Ab 1961 bis in die achtziger Jahre wurde hier auch der Gelände-Lkw Praga V3S hergestellt. Den Versuch, einen Avia-Kleinwagen zu bauen, stellte man hingegen 1957 nach kurzer Zeit ein. Zu Ruhm brachte es Avia mit dem typischen blauen „Saviem“, einem von Renault gekauften Typen eines Leicht-Lkw. 1968 hatte man damit begonnen, in den Achtzigern liefen 17.000 Stück im Jahr vom Band. Bis 2001 wurden insgesamt eine Viertelmillion Saviems produziert.

Nach der Revolution zerfiel das Werk, bestehend aus sieben Standorten mit insgesamt 20.000 Angestellten, in Einzelgesellschaften. Die Avia AG übernahm Mitte der neunziger der südkoreanische Automobilkonzern Daewoo. Nachdem sich andere Investoren an der Sanierung versuchten, kaufte 2006 der Bus- und Lkw-Produzent Ashok Leyland die Nutzfahrzeugsparte von Avia. Ashok Leyland gilt im Automobilbereich als Flaggschiff der indischen Hinduja Group.

Allerdings ist Avia in den letzten 15 Jahren aus den roten Zahlen selten herausgekommen. Zuletzt verzeichnete man 2009 einen Gewinn von 28,5 Millionen Kronen (11 Millionen Euro). In den folgenden beiden Jahren stürzte der Betrieb jedoch in ein Minus von etwa 200 Millionen Kronen jährlich. Dass sich ein Werk in Europa für Ashok Leyland nicht mehr lohnt, könnte auch mit den strengen Emissionsnormen zusammenhängen, die in der Europäischen Union gelten. Ashok Leyland will nämlich deswegen seine Fahrzeuge nach Europa nicht mehr exportieren. Dafür will man auf alle anderen Märkte der Welt vorstoßen.