Trinken wie die Dänen?

Trinken wie die Dänen?

Mehr als 1.800 junge Nordeuropäer verbringen derzeit ihre Winterferien in Prag. Nachdem es im vergangenen Jahr Randale gab, hat sich die Stadt diesmal auf die Gäste vorbereitet

13. 2. 2014 - Text: Nina MoneckeText: Nina Monecke und Magdalena Schluckhuber; Foto: Magdalena Schluckhuber

„Hilfe, die Dänen kommen“, „Die Wikinger gehen auf Zechtour“, „Invasion der Dänen“ – das sind nur einige Titel, die im vergangenen Jahr in den tschechischen Zeitungen kursierten. Von tausenden dänischen Jugendlichen war die Rede, die in Prag randalierten. So übertrieben diese Schlagzeilen auch waren: Wahr ist, dass die böhmische Hauptstadt neben Kafka und Karlsbrücke besonders für das Jungvolk noch einen anderen Reiz bietet: Bier zu Spottpreisen. Das hat sich auch bis nach Dänemark herumgesprochen. Ein Land, das unter anderem für seine hohen Alkoholpreise bekannt ist.

Bereits seit ein paar Jahren locken dänische – und mittlerweile auch schwedische – Reisebüros mit organisierten Party-Urlauben im Land des billigen Biers. Bis zu 10.000 Skandinavier folgten im vergangenen Jahr dem Aufruf. Sie sollen ganze Hotelzimmer zerlegt, sich bis zur Besinnungslosigkeit betrunken und tschechische Mädchen belästigt haben. Eine Spur der Verwüstung habe der Trupp hinterlassen, hieß es in tschechischen Medien.

Die Polizei war mit der Situation offenbar überfordert. Zahlreiche Fälle von Vandalismus und Alkoholexzessen sind in der Tat bekannt, die Bilder sind allerdings auch nicht wirklich neu. Nur zu gut kennt man die üblichen Horden von Touristen, die sich am Moldauufer volllaufen lassen oder jene Gruppen, die am Wochenende lärmend durch die Prager Innenstadt ziehen, um einen Junggesellenabschied zu feiern.

In diesen Tagen erwartet die Stadt wieder tausende Nord­europäer, die hier ihre Winterferien verbringen. 1.800 junge Touristen aus Dänemark und Schweden sind bereits am Sonntag und Montag angekommen. Doch dieses Mal hat sich Prag ­gerüstet: In Zusammenarbeit mit der dänischen Botschaft hat die Polizei ihr Personal aufgestockt. Unterstützt wird sie von vier dänischen Kollegen, die vor allem für die Kommunikation mit ihren jungen Landsleuten zuständig sind. Dänische Betreuer und Sanitäter sind in denselben Hotels wie die Jugendlichen untergebracht.

Rechtliche Konsequenzen
Der Bürgermeister des ersten Prager Bezirks Oldřich Lomecký (TOP 09) rief zudem zur Einhaltung der hiesigen Gesetze auf. Alkohol darf in der Tschechischen Republik erst ab 18 Jahren konsumiert werden. Jeder, der dagegen verstoße, habe mit ernsthaften rechtlichen Konsequenzen zu rechnen, sagte Lomecký. Er verwies zudem auf die Verantwortung von Eltern und Lehrern in Dänemark.

Auch auf der Homepage der dänischen Botschaft in Prag finden sich Verhaltenshinweise für die jungen Touristen. Rechte und drohende Strafen für Minderjährige nach tschechischer Gesetzeslage werden aufgezeigt. Es wird ausdrücklich empfohlen, die Krankenkassenkarte mitzuführen. 2013 landeten schließlich 30 dänische Jugendliche im Krankenhaus, sechs auf einer Prager Polizeistation. Angesichts der Anzahl mehrerer tausend Dänen sind diese Zahlen verhältnismäßig gering.

Dennoch wird auf die diesjährige Ankunft der Dänen seit einigen Tagen gespannt gewartet – vielleicht auch deshalb, weil im Tschechischen „Trinken wie ein Däne“ als Synonym für übermäßigen Alkoholkonsum verwendet wird. Aber trifft das wirklich auf alle Dänen zu? Und wie wird die Stadt die angebliche „Invasion“ in diesen Tagen bewältigen?

Die Tageszeitung „Mladá fronta Dnes“ warnte bereits im vergangenen Jahr vor voreiligen Schlüssen und Pauschalisierungen. Der Prager Tourismus lebe schließlich auch gut von der Dänischen Krone.

Diese Ansichten teilen auch drei junge Däninnen, die wir am Montagabend in der Altstadt treffen. Anna, Mie und Laura sind zum ersten Mal in Prag und ärgern sich darüber, dass alle Dänen als Rowdys dargestellt werden und sie deshalb jetzt ein schlechtes Image haben. „Wir hatten Probleme, ein Appartement zu bekommen“, erzählt Mie. Dabei will die 17-Jährige nur einen „gechillten Urlaub“ mit ihren Freundinnen haben, Sightseeing und Museumsbesuche inklusive. Warum tausende ihrer Landsleute jedes Jahr nach Prag kommen, liegt für die Mädchen auf der Hand: billiger Alkohol, eine unkomplizierte Anreise und weniger strikte Kontrollen.

Von Horror keine Spur
Hört man sich in der Nähe des Altstädter Rings und Wenzelsplatzes um, haben zwar viele bereits von den angeblich randalierenden Dänen gehört, gesehen hat sie aber noch niemand. Von den Horrorgeschichten des vergangenen Jahres gibt es bislang keine Spur. Das könnte einen guten Grund haben: Man habe aus den Ereignissen des Vorjahres gelernt, sagt Erik Harvig, der Pressesprecher von „Prague Week“, einer der dänischen Reiseanbieter. Zwar sei er vor einem Jahr nicht als Organisator dabei gewesen, Lehren könne man aber dennoch ziehen. Das hat auch das dänische Unternehmen „Rejsemaegleren“ gemacht. Nachdem gegen das Reisebüro schwere Vorwürfe wegen Alkoholmissbrauchs von Minderjährigen erhoben wurden, schickte es in diesem Jahr keine Schüler mehr nach Prag.

Der Schutz von Minderjährigen ist eine der großen Veränderungen im Service-Programm der Party-Planer von „Prague Week“. Bei den internen Veranstaltungen werde kein Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt. Das bestätigte auch ein Sprecher des Nachtklubs „Duplex“, der von „Prague Week“ für deren dänische Reisegruppe für einen kompletten Abend gebucht wurde. Alkohol gebe es ganz klar erst ab 18 Jahre zu kaufen. Volljährige seien durch ein spezielles Armband gekennzeichnet. Gemeinsam sei man zuversichtlich, eine Wiederholung der Ausschreitungen des vergangenen Jahres verhindern zu können. Ausdrücklich verweist Erik Harvig auf die Verantwortung der Eltern. Sowohl an die Teilnehmer als auch an ihre Eltern verschickte „Prague Week“ ­Schreiben, in denen der Veranstalter ausdrücklich auf die Einschränkungen für 16- und 17-Jährige und auf die tschechische Gesetzeslage hinwies. Die Einhaltung soll laufend kontrolliert werden, versichert Harvig.

Dass es manche Barbesitzer und Klubbetreiber doch nicht so genau nehmen, bestätigen die drei dänischen Mädchen, die auf eigene Faust und ohne Organisation im Hintergrund nach Prag gekommen sind. Am vergangenen Wochenende sei es kein Problem gewesen, in Klubs zu kommen und dort Alkohol zu kaufen. Die Kontrollen hätten erst begonnen, als die ersten offiziellen Gruppen nach Prag gereist sind. Und auch dann nicht überall.

Polizei markiert Präsenz
In der Nacht von Montag auf Dienstag füllen sich gegen Mitternacht die Straßen rund um den Altstädter Ring und den Wenzelsplatz. Vor den reservierten Klubs stehen Jugend-liche Schlange, um eingelassen zu werden, einige kommen gerade aus einer Cocktailbar, um frische Luft zu schnappen. Sie sind gut gelaunt, leicht betrunken, rauchen eine Zigarette nach der anderen. Manche von ihnen schubsen sich gegenseitig und grölen vor sich hin. Von Vandalismus oder Gewalt kann aber um diese Uhrzeit nicht die Rede sein. Und vor allem sind nicht alle von ihnen aus Dänemark. Pünktlich zum Semesterstart sind neben den Party-Touristen auch viele internationale Studenten aus Australien, Frankreich oder Deutschland unterwegs, die mit Bierflaschen in der Hand durchs Zentrum ziehen.

Dass nicht alle Dänen auf wilde Party-Exzesse aus sind, erzählt uns die 18-jährige Anna. „Viele wollen mit den offiziellen Partys und Gruppen gar nichts zu tun haben. Um keine Probleme zu bekommen, gehen wir lieber in kleinere Klubs und Bars.“ Die Stimmung dort sei ohnehin viel gelassener und nicht so aufgeladen, ergänzt Laura. Verunsichert durch all die Medienberichte in Dänemark und die Vorkehrungen in Prag sind die drei trotzdem. Wegen des Alkohols machen sie sich aber keine Sorgen: „Wir haben in den letzten Tagen schon viel gefeiert, wir wollen heute einfach einen ruhigen Abend haben“, sagt Anna verschmitzt. Zwar gestalten sich die Gesetzeslagen in Dänemark und Tschechien zum Thema Alkohol nahezu identisch, doch die Umsetzung ist im skandinavischen Land offenbar um einiges strikter. Unter 18 an Alkohol zu kommen, sei in Dänemark unmöglich, berichten die drei Mädchen.

Die Polizei ist in der Zwischenzeit mit zwei großen Bussen am Wenzelsplatz vor Ort, Arbeit gibt es aber auch nach Mitternacht keine. Stattdessen kümmern sich die Ordnungshüter um ein paar Obdachlose, die auf der Straße herumlungern.

Im Großen und Ganzen sieht es eher nach einem „gewöhnlichen“ Party-Wochenende in Prag aus, mit der Ausnahme, dass es sich um einen Montag handelt. Ein paar Probleme mit betrunkenen Jugendlichen hatte die tschechische Polizei bereits. Der Grund waren aber nicht Randale und Gewaltbereitschaft, sondern dass sich die Dänen nicht ausweisen konnten. Insgesamt 18 Festnahmen gab es in der Nacht von Sonntag auf Montag. Man wolle aber vor allem präventiv vorgehen, sagt Polizeisprecher Tomáš Hulan.

Die Besuche der Dänen fallen in eine Zeit, in der es eher wenig Touristen nach Prag zieht. Der eine oder andere Barbesitzer und Hotelbetreiber mag sich da die Hände reiben. Für die Anwohner verstärkt das vielleicht den Eindruck eines Ausnahmezustandes. Eine dänische Invasion hat aber – zumindest bisher – nicht stattgefunden.

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