Tradition und Trash
Die Nationalgalerie zeigt den Einfluss ostasiatischer Kulturen auf die zeitgenössische Kunst
18. 9. 2014 - Text: Franziska NeudertText: Franziska Neudert; Foto: NG
Seit jeher verkörpert der Drache in der ostasiatischen Kunst das aktive, schöpferische Prinzip. Er ist ein Symbol für Fruchtbarkeit, Stärke und positive Energie. „Der wachende Drache“ („The waking dragon“) heißt daher auch der Titel einer Ausstellung im Kinsky-Palais, die das kreative Potential junger Künstler in den Mittelpunkt rückt, die sich von der fernöstlichen Kultur inspirieren ließen.
Die ausgestellten Stücke wurden größtenteils extra für die Schau konzipiert. Der Fokus liegt auf Arbeiten tschechischer und ostasiatischer Künstler, die in Prag leben.
Das Herzstück der Ausstellung ist im ehemaligen Pferdestall des Kinsky-Palais zu sehen. Die etwa zwei Dutzend Werke von Künstlern der jüngeren Generation umfassen Gemälde, Videoprojektionen und Skulpturen. Die Einflüsse aus Ostasien entstammen, wie die Kuratoren betonen, der chinesischen, japanischen und koreanischen Kultur. Dabei sind nicht nur die Spuren traditioneller Kunst und spiritueller Lebensphilosophie in den ausgestellten Stücken erkennbar. Vor allem die Auseinandersetzung mit dem Boom der japanischen Popkultur kann man zahlreichen Werken ablesen. So verbindet „Blízká setkání vlastního druhu“ („Nahe Begegnungen der eigenen Art“) von Anna Hulačová traditionelle buddhistische Ikonografie mit zeitgenössischer Populärkultur: In der Skulptur der Pragerin begegnen sich die Büsten eines Buddhas und eines Außerirdischen, wie er sein Gesicht bereits in zahlreichen Comics und Filmen erhalten hat.
Zu den bekannteren Ausstellungsstücken zählt Stanislav Müllers „Mirror Man“. Der tschechische Multimediakünstler schuf den roboterähnlichen Spiegelmann vor 19 Jahren. Konzipiert als soziales Experiment schickte Müller seine verspiegelte Figur in unterschiedlichste Umgebungen, um zu erproben, wie die Menschen den Unterschied zwischen sich selbst und dem seltsamen Wesen wahrnehmen. Derzeit befindet sich „Mirror Man“ erneut auf Japan-Tour. Seine jüngsten Abenteuer und das Ergebnis der künstlerischen Sozialstudie sind in Form von Videobeiträgen und großformatigen Fotoabzügen zu sehen.
Eine Brücke zwischen tschechischer und asiatischer Kunst schlagen die gläsernen Exponate von Song Mi Kim. Der koreanische Glaskünstler studierte von 2005 bis 2007 an der Prager Akademie für Kunst, Architektur und Design. In seinen zarten Glasarbeiten verknüpft er böhmische mit koreanischer Formensprache.
Die Gruppeninstallation „Decadent Oriental Salon“ steht für einen humorvollen Zugang zum Konzept klassischer orientalischer Salons, wie man sie in zahlreichen tschechischen Schlössern und Palästen findet. Die Installation schafft einen Raum, in dem sich Besucher – erschöpft vom Kunstmarathon durch die Räume des Kinsky-Palais – auf einem historischen Diwan bei animierten Kurzfilmen ausruhen können. Eine Sammlung orientalischer Kuriositäten lädt die Betrachter ein, ihrer Vorstellungskraft freien Lauf zu lassen.
The Waking Dragon. Kinsky-Palais (Staroměstské náměstí, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 18 Uhr, Eintritt: 170 CZK (ermäßigt 90 CZK) bis 23. November
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