Streit auf dem Balkan

Streit auf dem Balkan

Energiekonzern ČEZ droht Lizenzentzug in Bulgarien – Außenminister Schwarzenberg mit „wenig Spielraum“

27. 2. 2013 - Text: Marcus HundtText: mh/čtk; Foto: Creative Commons/Sarah Elizabeth Simpson

 

Bulgarien erlebt derzeit die größten Demonstrationen seit der Wirtschaftskrise im Jahr 1997. Und diese dauern auch nach dem am Mittwoch vergangener Woche erklärten Rücktritt von Regierungschef Boiko Borrisow unvermindert an. Am Anfang der Proteste stand der Unmut gegen steigende Strompreise im Land. „Doch mittlerweile geht es nicht mehr nur um die Energierechnungen, die viele Bulgaren nicht mehr bezahlen können, sondern auch um zu niedrige Einkommen und um die wirtschaftliche und soziale Stagnation im Land“, meint Marco Arndt von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine ältere Frau, die in Sofia mit Zehntausenden Landsleuten auf die Straße gegangen war, berichtete vor einer Fernsehkamera, ihre monatliche Rente betrage 160 Lewa. Für das vorige Jahr habe sie nun eine Stromrechnung in Höhe von 114 Lewa bekommen, die sie nicht begleichen könne.

Selbst für Bulgaren, die im Berufs­leben stehen, ist das eine horrende Summe: Denn jeder Zweite verdient im ärmsten Land der Europäischen Union weniger als 290 Lewa, umgerechnet knapp 150 Euro. Als Leiter des Auslandsbüros in Sofia berichtet Arndt, dass sich der Protest nicht nur gegen die 2004 privatisierten Energiekonzerne und ihre monopolistischen Strukturen richte. Die Demonstranten prangern auch die Politik eines Landes an, dessen Haushaltsdefizit zwar bei nur zwei Prozent liegt, doch die gegen die zunehmende Arbeitslosigkeit und sinkenden Gehälter offenbar machtlos ist.

Sanktionen für alle
Hierzulande wird die Situation auf dem Balkan genau verfolgt; schließlich stammen zwei von drei Energieversorgern – die das Land jeweils zu einem Drittel unter sich aufgeteilt haben – aus Tschechien. Kurz bevor er seinen Rücktritt bekanntgab, polterte Borissow gegen EVN (Energieversorgung Niederösterreich) und Energo-Pro aus dem ostböhmischen Svitavy. Vielmehr jedoch drohte er dem Energiekonzern ČEZ, der zu 70 Prozent dem tschechischen Staat gehört: „Alle drei Stromlieferanten werden mit Sanktionen belegt, ČEZ wird zudem die ­Lizenz entzogen.“

Um das Volk zu beruhigen, hatte Borissow zudem angekündigt, die Strompreise bereits ab 1. März zu senken. Bereits einen Tag später musste die Vorsitzende der Energieregulierungsbehörde Juliana Iwanowa jedoch einräumen, die Preise könnten frühestens im April geändert werden.

Den Grund dafür kennt Barbora Půlpánová, Sprecherin von ČEZ: „Erstens muss die Behörde die konkreten Gründe für einen Lizenzentzug benennen. Und zweitens müssten wir dann auch Zeit bekommen, die vermeintlichen Mängel zu beheben.“ „Es gibt jedoch überhaupt keinen Grund, solche Schritte gegen uns einzuleiten“, meint der ČEZ-Regionalleiter für Bulgarien Petr Dokládal und verweist auf eine offizielle Erklärung seines Konzerns. Darin heißt es, Bulgarien sei das einzige Land in der EU, in dem nie eine Liberalisierung des Strommarktes stattgefunden habe. „Der Markt muss geöffnet, Monopole beseitigt werden. Das ist der beste Weg für transparente Wettbewerbsbedingungen“, empfiehlt das Unternehmen, das bereits im Januar seine Lizenz für den albanischen Markt verloren hatte, nachdem es vertraglich festgeschriebene Investitionen angeblich nicht erfüllt hatte.

Brüssel soll vermitteln
Da staatliche Interessen verteidigt werden müssen, haben sich auch tschechische Politiker im Strom-Streit zu Wort gemeldet und das Vorgehen der bulgarischen Regierung zum Teil scharf kritisiert. Sowohl für Staatspräsident Václav Klaus als auch für Regierungschef Petr Nečas (ODS) seien die hohen Energiepreise „hochgradig politisiert“ worden. Klaus stellte klar, dass nicht ČEZ für die Unruhen in Bulgarien verantwortlich sei, sondern allein die politische Führung in Sofia. „Ich erwarte von Bulgarien, dass es sich an die europäische Gesetzgebung hält, einschließlich des Gesetzes zum Schutz von Auslandsinvestitionen“, sagte der Regierungschef, für den der angedrohte Lizenzentzug „komplett aus der Luft gegriffen“ sei.

Gleichzeitig forderte er die Europäische Kommission auf, in dem Konflikt zu vermitteln. Außenminister Karel Schwarzenberg (TOP 09) erörterte bereits mit seinem bulgarischen Amtskollegen Nikolai Mladenow das Problem, wollte über das Gespräch jedoch keine Auskünfte geben. „Wir stehen sowohl mit ČEZ als auch mit unseren Behörden in Bulgarien und Albanien in engem Kontakt und suchen nach einer Lösung“, versicherte Schwarzenberg. Gleichzeitig gab er zu, die instabilen Verhältnisse in Bulgarien würden „wenig Spielraum“ erlauben.