Spur der Steine

Spur der Steine

In der Böhmischen Schweiz erfahren Wanderer auf dem ersten Naturlehrpfad Tschechiens, wie eine Region vor Jahrmillionen entstand

19. 6. 2013 - Text: Yvette PolášekText: Yvette Polášek; Foto:Jitka Erbenová

Ins Leben gerufen, für viele Jahrzehnte in Vergessenheit geraten und vor wenigen Jahren wiederentdeckt. So ließe sich das Schicksal des Naturlehrpfades von Rudolf Kögler schlagwortartig zusammenfassen. Der begeisterte Naturforscher legte den Pfad in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts in Nordböhmen an. Heute gilt dieser als der älteste in Tschechien.

Der 1899 in Schönlinde (Krásná Lípa), einer Kleinstadt im Bezirk Děčín, geborene Kögler arbeitete sein Leben lang als Stricker und Textilgestalter in verschiedenen Fabriken, da es ihm die finanzielle Situation seiner Familie nicht erlaubt hatte, Naturwissenschaften zu studieren. Seine Leidenschaft und damit auch seine ganze Freizeit gehörten aber stets der Botanik, Astronomie und vor allem der Geologie. Und so legte er in seinem Garten in Krásná Lípa in mühevoller siebenjähriger Arbeit eine einzigartige geologische Karte an. Mit authentischem Gestein aus der Umgebung des Wolfsbergs (Vlčí hora), einer der markantesten Erhebungen im Böhmischen Niederland, schuf er auf einer Fläche von 50 Quadratmetern eine dreidimensionale Übersicht über sein heimatliches Gebiet.
1937 öffnete der Hobby-Naturforscher seinen Garten und somit die geologische Karte für die Öffentlichkeit. Seit 1983 zählt sie zu den geschützten technischen Kulturdenkmälern der Tschechischen Republik und kann von Mitte Mai bis September besucht werden.

Auch der zwölf Kilometer lange Naturlehrpfad am westlichen Rand der Böhmischen Schweiz wurde von Kögler geschaffen. Von Krásná Lípa über Kyjov (Gaya) und Kyjovské údolí (Khaatal) bis in die Ortschaft Vlčí hora (Wolfsberg) führend, verläuft er in weiten Strecken entlang der geologisch interessanten Lausitzer Überschiebung. Im Tertiär wurden hier Gesteine aus älteren geologischen Zeiten emporgehoben. Anhand der weißen Kieseladern können Wandernde diesen Prozess nun Jahrmillionen später nachvollziehen.

Jedes Jahr im Frühjahr positionierte Kögler entlang des Pfades besondere Hölzer, neben denen er in mühevoller Arbeit 70 Informationstafeln in deutscher Sprache anbrachte. Auf diesen erfuhren Spaziergänger nicht nur Wissenswertes über die Pflanzenwelt. Auch Interessantes über Sagen und Legenden aus der Region vermittelte Kögler den Ausflüglern, ergänzt durch geschnitzte Holzfiguren. So befand sich beispielsweise bei der Dixa-Mühle der böse Handwerksgeselle Pumpnut, der sich einer Legende zufolge mit dem Teufel eingelassen hatte; bei Vlčí hora blickt Räuber und Brandstifter Jakob Raschauer den Vorbeikommenden mit finsterem Blick nach.

Die ersten Touristen folgten Köglers Weg am 12. Oktober 1941, als um sie herum in Europa der Zweite Weltkrieg tobte. Doch das konnte die Besucher nicht abhalten, sich dem Lehrpfad zu widmen. Im Gegenteil, gerade in den schweren Kriegsjahren zog Köglers Weg viele Menschen an, da sie hier für kurze Zeit der traurigen Realität entfliehen konnten. Nach Kriegsende und während des Kommunismus geriet der Pfad jedoch in Vergessenheit. Erst 2006 wurde die Strecke wiederbelebt und zudem um acht Kilometer verlängert. 40 verschiedene Stationen, an denen sich Wanderer mit den Besonderheiten der Region vertraut machen können, ergänzen den Lehrpfad heute.

Wer den Weg gestärkt antreten möchte, kann sich vorab in der historischen Pension „Na Bělidle“ in Krásná Lípa stärken, wo Wanderer und Radfahrer eine dicke Brotscheibe mit Fett und Zwiebeln mit auf den Weg bekommen. Der heutige Naturpfad führt zu vielen magischen Plätzen in der Böhmischen Schweiz. Den Nationalpark sollte man bei einem Besuch auf keinen Fall links liegen lassen, verbirgt er doch zahlreiche sehenswerte Naturschätze.