Sommer unterm Viadukt

Sommer unterm Viadukt

Mit Sport- und Kulturveranstaltungen soll die Brücke in Karlín wiederbelebt werden

1. 6. 2016 - Text: Franziska Neudert, Foto: CCEA MOBA

Schach, Tischtennis, Volleyball – statt parkender Autos sollen sich bald Spieler und Sportler unter dem Viadukt in Karlín versammeln. Für jene, die sich nicht so gern bewegen und auch keinen Denksport treiben wollen, sorgen Filme, Konzerte und Ausstellungen für Abwechslung. Mit dem Projekt „Sommer unter dem Negrelli-Viadukt“ (Léto pod Negrelliho viaduktem) will das Zentrum für mitteleuropäische Architektur (CCEA) gemeinsam mit dem achten Stadtbezirk den Bereich zwischen den Straßen Křižíkova und Sokolovská in einen Erholungsraum verwandeln.

In diesen Tagen sollen unter den Brückenbögen eine Tanzfläche, ein Volleyballfeld und ein Platz für Yoga und Aerobic angelegt sowie Tischtennisplatten und Trampoline aufgestellt werden. Von Juni bis Oktober können sich die Prager dort am Tag und am Abend vergnügen.

„Mit der Wiederbelebung des Raumes wird sich der problematische und unerfreuliche Zustand des Negrelli-Viaduktes verbessern“, sagt Yvette Vašourková vom CCEA. Seit vielen Jahren beschäftigt sich die Nichtregierungsorganisation mit der Instandsetzung der zweitältesten Brücke Prags, die die Stadtteile Karlín und Holešovice miteinander verbindet. Sie sei nicht nur baufällig, sondern ziehe vor allem im Dunkeln auch Kriminelle an. Mit dem Projekt erhoffe sich das CCEA daher auch mehr Sicherheit, so Vašourková.

Die Instandsetzung der Eisenbahnbrücke soll im kommenden Jahr beginnen. Danach könnten sich auch Cafés, Galerien, Geschäfte und Klubs dauerhaft unter den Bögen des Viadukts ansiedeln. Ziel des CCEA ist es, im Jahr 2020 einen neuen Erholungsraum zu eröffnen, wie Vašourková sagt. Langfristig hoffen das CCEA und der achte Stadtbezirk, dass sie Karlín zu einem attraktiven Viertel in der Nähe des historischen Zentrums machen können. Auf den besonderen Ort unter dem Viadukt hatte das CCEA bereits im Jahr 2013 im Rahmen des Festivals „Zažít město jinak“ („Die Stadt anders erleben“) mit Kunst­aktionen aufmerksam gemacht.

Hässlich und störend?
Das Viadukt, das nach dem österreichischen Ingenieur Alois Negrelli benannt ist, wurde in den Jahren 1846 bis 1850 als Bestandteil der Eisenbahnverbindung zwischen Dresden und Wien auf 87 Steinbögen erbaut. Mit einer Länge von 1.100 Metern war es bis zum Jahr 1910 das längste Viadukt Europas. Im 20. Jahrhundert wurden einige der Brückenbögen eingemauert und in Lagerräume verwandelt. In den fünfziger Jahren sollte das Viadukt sogar einer Allee des kommunistischen Städtebaus weichen.

Heute sind nahezu alle freistehenden Bögen verschwunden. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts fingen verschiedene Gewerbetreibende an, die Flächen darunter zu nutzen. Sie richteten etwa kleine Läden oder Werkstätten ein. Ein bei Pragern beliebtes Beispiel für solch eine Umgestaltung ist die Kneipe „U Fandy“.

Einer Umfrage des achten Stadtbezirks zufolge empfinden die meisten Prager die Brücke als hässlich und störend. Viele befürchten ein zusätzliches Hindernis für den städtischen Verkehr, wenn die Brückenbögen rekonstruiert und umgestaltet werden.