Schillernd und verstörend

Schillernd und verstörend

Das „Febiofest“ bringt mehr als 150 Filme aus aller Welt auf tschechische Leinwände

18. 3. 2015 - Text: Katharina WiegmannText: Katharina Wiegmann; Foto: Peter Kurth (rechts) in der Rolle des kautzigen Schmitke im gleichnamigen Film von Štěpán Altrichter/Febiofest

 

Das Febiofest stellt seit mehr als zwei Jahrzehnten eine feste Größe im Prager Kulturkalender dar. „Größe“ ist dabei durchaus wörtlich zu verstehen: In diesem Jahr werden zwischen 19. und 27. März ganze 159 Filme aus 56 Ländern gezeigt – in insgesamt 562 Vorführungen. Zentrale Spielstätte wird ein weiteres Mal das Multiplex-Kino CineStar Anděl sein, das der Gästeschar abseits der Kinoleinwand auch kulinarische und musikalische Höhepunkte bietet.

Die Stärke des Festivals ist seine Breite. Gezeigt werden Spielfilme und Dokumentationen, die den Besuchern einen Überblick über das kinematografische Geschehen der vergangenen zwölf Monate vermitteln sollen. Wie gewohnt befinden sich darunter auch viele tschechische Premieren. Außerdem widmet sich das Febiofest in verschiedenen Kategorien jährlich wechselnden Themen und rückt bestimmte Weltregionen besonders in den Fokus. In diesem stehen dieses Mal Beiträge von Filmemachern aus den Niederlanden. Einige der holländischen Regisseure werden persönlich zu Gast sein und mit dem Publikum diskutieren. Dazu zählt auch die polnisch-niederländische Regisseurin Urszula Antoniak. In ihrem Film „Nude Area“ erzählt sie von der erotischen Spannung zwischen zwei Teenagerinnen, deren kulturelle und soziale Hintergründe verschiedener nicht sein könnten. Antoniak zeichnet eine ästhetisch-visuelle Studie über Begierde, Hoffnung und Enttäuschung – und kommt dabei komplett ohne Dialoge aus.

In insgesamt 14 Kategorien laufen Werke aus Asien (in der Sektion „Asian Panorama“), Serbien („Balkan Beats“), Nordeuropa („Northern Lights“) oder Streifen mit einem bestimmten Themenfokus auf das „Queer-Cinema“ („Another Shore“), Polens Weltkriegstrauma („Polen44“) oder das Essen. Unter dem Motto „Culinary Cinema“ wird in den legendären Barrandov-Studios für die Dauer des Festivals sogar ein Film-Restaurant eingerichtet. Filme über Essen wie der südkoreanische Beitrag „The last recipe“ werden von einem passenden Menü begleitet (Tickets sind für 1.500 Kronen erhältlich).

Hollywood-Glamour
Auch einige deutsche Regisseure und Produzenten sind auf dem Festival vertreten. Unter anderem kann sich der Zuschauer mit dem vor kurzem verstorbenen Regisseur Oswald von Richthofen auf eine bildgewaltige, überraschende und verstörende Reise über den afrikanischen Kontinent begeben. Produziert wurde die Dokumentation von Roland Emmerich. „35 Cows and a Kalashnikov“, so der Titel des Films, wird in einer besonderen Vorführung in den atmosphärischen Räumlichkeiten des Theaters „Studio Hrdinů“ im Untergeschoss des Messepalastes gezeigt (22. März).

Mit Schauspieler Peter Kurth wird auch ein bekanntes Gesicht der deutschen Film- und Theaterszene auf dem Febiofest präsent sein. Der 57-jährige spielt in Štěpán Altrichters tschechisch-deutscher Koproduktion „Schmitke“ einen kauzigen Windkraft-Ingenieur, dessen Arbeitsreise ins Erzgebirge zu einem merkwürdigen Selbsterkennungstrip ausufert (siehe dazu den Artikel Magisch verwirrt).

Mit Retrospektiven ehrt das Festival jährlich eine Reihe verdienter Filmschaffender. 2015 unter anderem die Schauspielerin Kim Novak, die dem diesjährigen Febiofest durch ihre Anwesenheit einen Hauch von Hollywood-Glamour verleiht. Die inzwischen 82-jährige US-Amerikanerin spielte die Hauptrolle in Alfred Hitchcocks „Vertigo“ sowie im oscarprämierten Klassiker „Picnic“ von Joshua Logan, die beide auf dem Festival zu sehen sein werden. Ihr Kommen zugesagt haben auch Regisseur Jean-Jacques Annaud und Independent-Film-Produzent Mike Downey.

Bis in die Nacht
Das Febiofest hat in diesem Jahr zudem ein politisches Anliegen: Es reiht sich in den Protest gegen die Inhaftierung des ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow in Moskau ein. Senzow hatte an den Demonstrationen auf dem Maidan in Kiew teilgenommen und sich auf der Krim im politischen Kampf gegen die russische Annektion der Halbinsel engagiert. Im Mai 2014 wurde er verhaftet. Seither sitzt er in der russischen Metropole in Untersuchungshaft. Die Erlöse aus den Vorstellungen seines Films „Gamer“ über einen Profi-Computerspieler am 26. und 27. März werden zu Gunsten seiner Verteidigung vor Gericht gespendet.

Wer nach dem Kino noch nicht nach Hause gehen möchte, sollte dem dritten Untergeschoss des Parkhauses unter dem CineStar Anděl einen Besuch abstatten: Allabendlich verwandelt es sich für die Dauer des Festivals in die Spielstätte des „Febiofest Music Fest“. Jede Nacht steht im Zeichen eines anderen Genres; das Spektrum reicht von Hip-Hop über Jazz bis Rock, Punk und Ska. Das Team um die Festivaldirektoren Fero Feni und Kamil Spáčil hat eine Reihe etablierter Bands und spannender Newcomer eingeladen, die jeweils ab 20 Uhr – bei freiem Eintritt – den musikalischen Horizont der Besucher erweitern werden. Zudem sorgen an gleicher Stelle zahlreiche Essensstände und Bars für das leibliche Wohl der Gäste.

Febiofest in Prag. 19. bis 27. März (danach in acht weiteren Städten des Landes), „CineStar Anděl“ (Radlická 1, Prag 5), weitere Informationen und Programm unter www.febiofest.cz