Rundes Jubiläum

Rundes Jubiläum

Das Prager Kurzfilmfestival feiert sein zehnjähriges Bestehen mit über 60 Beiträgen

15. 1. 2015 - Text: Peter HuchText: Peter Huch; Foto: Pragueshorts

 

Was tun, wenn das Leben als Angestellte nach Jahrzehnten zu ermüdend geworden ist? Die einsame Setsuko (Kaori Momoi) aus Tokyo entscheidet sich im Kurzfilm „Oh, Lucy“ von Atsuko Hirayanagi für einen skurrilen Neuanfang: Sie zieht sich eine blonde Perücke über und erfindet sich mit einer zweiten Identität als Lucy neu. Sie entstaubt Gefühle wie Sehnsucht und Leidenschaft, die ihr längst abhandengekommen sind. Die japanische Komödie über die Selbstfindung einer älteren Dame ist einer von insgesamt 16 Wettbewerbsbeiträgen des diesjährigen „Prague Short Film Festival“, das vom 15. bis 18. Januar im Kino Světozor zum zehnten Mal über die Bühne geht.

Für das Jubiläum, seine Premiere feierte das Festival 2005, haben die Organisatoren ein vielfältiges Programm mit einigen spannenden Retrospektiven auf die Beine gestellt. Insgesamt laufen 66 Kurzfilme in acht verschiedenen Blöcken. Die 16 Filme, die um den Kurzfilmpreis kämpfen, stammen aus 14 Ländern.

In „The Flavors Collection“ widmet sich der Rumäne Igor Cobileanski dem Thema Armut. Die Mutter des Knaben Victor ist ernsthaft erkrankt. Der verzweifelte Sohn möchte helfen, doch leider fehlt der Familie das Geld für die medizinische Behandlung. Im Gegensatz dazu erscheinen die Probleme der 30-jährigen Kanadierin Sarah ziemlich harmlos. Monia Chokri erzählt in „An Extra­ordinary Person“ von einer klugen und erfolgreichen Frau, die in der sozialen Interaktion jedoch seltsam und ungeschickt agiert. Die beiden Beiträge laufen zweimal direkt nacheinander (Freitag ab 16.30 Uhr und Samstag ab 19 Uhr). Der Zuschauer erlebt somit einen kleinen Kulturschock, wenn Erzählungen über Irrwege einer Wohlstandsgesellschaft auf Geschichten bitterer Armut folgen.

Fülle an Ideen
Eine wahre Bilderflut aus der MTV-Popkultur der neunziger Jahre überkommt den Besucher bei der Hommage an die legendären „Beastie Boys“. Sieben Kurzfilme handeln ausschließlich von der berühmten New Yorker Hip-Hop-Band. Bei zwei Beiträgen führte Oscar-Preisträger Spike Jonze Regie. Die Streifen sind wie Musikvideos inszeniert: Rasant im Schnitt und mit einer überwältigenden Fülle an Ideen, die von Godzilla-Reminiszenzen bis zu Talkshow-Gästen aus dem Weltall reichen. Dem „Recht zu feiern“ („Fight For Your Right to Party“), wie der erste Hit der Band hieß, wird sich hier kein Fan verschließen können.

Besonders nostalgische und komische Abende (am Donnerstag und Sonntag) verspricht der Block „Peter Sellers Rediscovered“. Drei Kurzfilme des Komikers sind erst seit kurzem wieder für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Festival-Jubiläum darf auch eine Auswahl der besten Beiträge der letzten Jahre nicht fehlen. Herausheben könnte man hier – unter vielen anderen – Jamie Travis’ Tragikomödie „The Saddest Boy in the World“ von 2006. Der neunjährige Timothy kommt mit sich und der Welt nicht klar, und dies obwohl ihm seine Eltern alles schenken, was er sich wünscht. So fasst er in diesem Film voller schwarzem Humor den Entschluss, sich an seinem Geburtstag zu erhängen. Neben den besten internationalen Kurzfilmen stellten die Veranstalter auch einen Block mit tschechischen Kurzfilmen seit den sechziger Jahren zusammen.

Mehr Informationen unter www.pragueshorts.com und www.kinosvetozor.cz

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