Fantastische Materialschlacht

Fantastische Materialschlacht

In der Galerie Rudolfinum entführt Jiří Černický in eine wilde Traumwelt

3. 2. 2016 - Text: Stefan Welzel, Fotos: Galerie Rudolfinum

Auch wenn der Vergleich etwas hinkt: Bei der Interpretation der neuen Ausstellung in der Galerie Rudolfinum muss man unweigerlich an Joseph Beuys’ „Soziale Plastik“ denken. Viele Werke des Pragers Jiří Černický erinnern stark an das berühmte Konzept des deutschen Kunstpioniers. Mit seinen manchmal provokativen, nicht selten mystischen, stets aber absurden Skulpturen und Installationen vermisst der 49-jährige Prager die komplexe Realität des 20. und 21. Jahrhunderts. Und zieht uns damit ganz im beuysschen Stil in eine Diskussion über die unterschiedlichsten Aspekte unseres Alltags. Trotzdem gibt es einen großen Unterschied: Černický überflutet die Sinne des Betrachters geradezu mit Eindrücken, die so bunt und verspielt sind, dass sie einen lange nicht aus dem Kopf gehen.

Wild Dreams

Černický lotet in „Divoky sny“ („Wilde Träume“) die Möglichkeiten der riesigen Hallen des Rudolfinums geschickt aus. Er begrüßt den Gast gleich im altehrwürdigen und klassischen Foyer mit einem überdimensional großen Skateboard („Božský Skate“/„Göttliches Skateboard“). Vor die Räder legt er allerlei Ramsch – aber auch ein Samurai-Schwert, eine Gitarre oder eine Digital­kamera. Es scheint, als möchte uns der Künstler in dem kargen aber edlen Raum mit der Vielfalt und dem Kitsch der modernen Konsumgesellschaft konfrontieren.

Dieser grellen Allegorie folgt im ersten Saal eine mystische, dunkle Zauberwelt. Aufnahmen alter Filme werden von einem Beamer an die Wand projiziert und dabei von einer Kristallvase vor der Linse zur Unkenntlichkeit gebrochen. Hier beginnt die Reise durch des Künstlers surreale Welten.

Mal empfängt uns dabei eine Puppe mit Priesterkittel und futuristischem Helm, mit Seilen fest am Boden verknotet, als ob sie weg fliegen könnte – eine Art christlicher Darth Vader. Ein andermal halten zwei Madonnenstatuen ein Rennfahrrad, das der Besucher besteigen darf. Černický nennt die Plastik „Denkmal für die Opfer kirchlicher Verfolgung“. Das Rad steht für die Überhöhung des Sports zu einer Religion der Post­moderne. Die Verbindung zu den Leidtragenden christlichen Missionierungswahns? Soll ein jeder beim Strampeln auf dem Sportgerät suchen und finden können.

Spannend wird es, wenn der Chalupecký-Preisträger Modelle von Gebäudekomplexen wie das „Kioskhouse“ oder das „Slamhouse“ und somit den Prolog zu seiner finalen Konsumkritik präsentiert. In „Nobody Readable“ schlüpfte der Künstler in einen mit Werbeschildern und Firmenlogos übersäten Ganzkörperanzug. Die Verwandlung vom Menschen zum Werkzeug des Kommerz ist vollzogen. Womit sich der Kreis mit Josef Beuys doch wieder schließt, nachdem Černický zwischendurch phantastische Ausflüge in Sphären unternimmt, in die ihm vielleicht nicht nicht mal dieser hätte folgen können.

Jiří Černický – Wilde Träume. Galerie Rudolfinum (Alšovo nábřeží 12, Prag 1), geöffnet: täglich außer montags 10 bis 18 Uhr (donnerstags bis 20 Uhr), Eintritt: 120 CZK (ermäßigt 70 CZK), bis 10. April