Nach Neuwahlen Rückwärtsgang

Nach Neuwahlen Rückwärtsgang

Gewerkschaften fordern Abschaffung der unter Nečas beschlossenen Reformen

18. 9. 2013 - Text: Franziska NeudertText: fn/čtk; Foto: Demonstration der Gewerkschaftler im November 2012 in Prag/ČKMOS

 

Während die Parteien mit ihren Kampagnen hoffnungsvoll in den Wahlkampf starten, erheben sich auf der anderen Seite Kritik und Forderungen an die zukünftige Regierung. So riefen die Gewerkschaften das künftige Kabinett auf, die unter Petr Nečas (ODS) verabschiedeten Reformen zu revidieren. Sie verlangten ferner eine Erhöhung des Mindestlohns, den Bau von Sozialwohnungen sowie entschiedene Maßnahmen gegen Korruption und Steuerhinterziehung.

Eine entsprechende Liste mit Forderungen legte der Vorsitz des Böhmisch-Mährischen Gewerkschaftsverbands (ČMKOS) bei einer Pressekonferenz am Montag in Prag vor. „Wir wünschen uns eine kluge, nicht korrupte Regierung, die fähig ist, die Probleme im Land anzugehen und nicht so tut, als wäre sie die Weiseste der Weisen“, erklärte Josef Středula vom Gewerkschaftsbund KOVO. In der Kandidatur des Noch-Vorsitzenden des Gewerkschaftsbunds Jaroslav Zavadil als Spitzenkandidat der ČSSD in Prag sehen die Gewerkschaftler keinen Interessenskonflikt. Der Gewerkschaftsverband begrüßte den angekündigten Rücktritt Zavadils von seinem Posten als ČMKOS-Chef. Man hoffe, dass Zavadil ihr Anliegen im Parlament vertreten wird. Eine konkrete Wahlempfehlung kündigte die ČMKOS für den 18. Oktober an.

Die Liste beinhaltet fünf Hauptpunkte: Unter anderem bestehen die Gewerkschaften darauf, dass die Rentenreformen der Mitte-Rechts-Regierung revidiert wird. Nach dieser sollen gesetzlich Versicherte in den  sogenannten zweiten Pfeiler der Rentenversicherungen einzahlen und somit zusätzliche drei Prozent ihrer Beiträge in einen privaten Rentenfonds abführen. Das Konzept stieß mehrfach auf Kritik, da er besonders  Geringverdiener benachteilige.

Vom neuen Kabinett erwarten die Gewerkschaften eine Wiederbelebung des Dialogs zwischen Regierung, Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie Unterstützung bei den Tarifverhandlungen. Die Gewerkschaften fordern zudem den Neubau von 50.000 Wohnungen mit verminderter Miete und die Einführung des sozialen Wohnungsbaus. Arbeitslosigkeit und Armut sollen durch praxisnahe Umschulungen, die Aufstockung des Mindestlohns und die Förderung der Jugendbeschäftigung eingedämmt werden.

Den Kampf gegen Korruption gedenkt der Dachverband beispielsweise mit der Einschränkung von Barzahlungen, einem strengeren Vorgehen gegen Steuer­delikte sowie der Einführung verbindlicher Registrierkassen mit integriertem Steuerspeicher anzupacken.
Wirtschaftliches Wachstum könnte laut ČMKOS durch die Fertigstellung des Atomkraftwerks im südböhmischen Temelín, die Förderung von Landwirten oder die Einrichtung einer Schnellbahn zwischen Brünn und Prag sowie die Gründung eines staatlichen Exportunternehmens beschleunigt werden. Offen ließen die Gewerkschaften hingegen, wie sich ihre Vorhaben finanzieren lassen.

Bisher hat die ČMKOS ihren Entwurf an die Parteien ČSSD, KSČM, ODS, TOP 09, SPOZ und KDU-ČSL überreicht. Der Dachverband beabsichtigt jedoch, den Plan auch an andere Parteien zu schicken, die im Parlament vertreten sein werden.