Mit Täve auf Tour
Die Radsport-Legende weckt in Prag Erinnerungen an die Friedensfahrt
3. 10. 2012 - Text: Stefan WelzelText und Foto: Stefan Welzel
Am 28. September, dem Tag des Heiligen Wenzel, starten früh morgens rund 20 Touren-Radfahrer in der sächsischen Grenzstadt Olbernhau, um sich über das Erzgebirge in Richtung Prag zu begeben. Es ist keine x-beliebige Truppe, die die 140 Kilometer-Strecke an jenem sonnigen Herbsttag in Angriff nimmt. Vor sieben Jahren fassten Thomas Seidel und Gert Hauptlorenz, Mitorganisatoren der sogenannten Olbernhauer Radtour, mit befreundeten Radsportbegeisterten den Entschluss, einen besonderen Saisonabschluss zu schaffen. Seitdem fährt die Sportgemeinschaft immer am tschechischen Feiertag von Olbernhau nach Prag. Damit wollen Seidel und seine Mitfahrer ihre Verbundenheit mit dem Nachbarn im Allgemeinen und mit der Stadt Prag im Besonderen demonstrieren. „Durch Sport und Kultur schaffen wir einen völkerverbindenden Beitrag zur deutsch-tschechischen Nachbarschaft. Wir haben im Radverein Litvínov auch einen zuverlässigen und idealen Partner, der uns bei vielen Vorhaben hilft“, so Hauptlorenz.
Mit den Gleichgesinnten aus dem böhmischen Grenzort koordiniert er auch jene Abschnitte der Olbernhauer Radtour, die durch Tschechien führen. Alljährlich im August nehmen seit 1993 rund 2.000 Radfans an dieser außergewöhnlichen Tour im Grenzgebiet teil. Vor allem Breitensportler sollen sich angesprochen fühlen. Fitness-Freunde kommen hier genauso auf ihre Kosten wie Familien.
Prominent unterstützt wird die Veranstaltung von DDR-Radsportlegende Gustav-Adolf „Täve“ Schur. Der ehemalige Friedensfahrt-Gewinner war der wohl populärste Sportler des untergegangenen Staates und nahm bereits vier Mal an der Olbernhauer Radtour teil. Diese ist sehr wohl auch als Reminiszenz an die bedeutendste Radrundfahrt der ehemaligen Ostblock-Staaten zu verstehen. Die Friedensfahrt, auch „Tour de France des Ostens“ genannt, verband ab 1952 die drei Länder DDR, Tschechoslowakei und Polen und insbesondere deren jeweiligen Hauptstädte als Etappenorte.
Profaner Grund
Von der Friedensfahrt und deren breitensportlichen Ableger Olbernhauer Radtour war es dann nicht mehr weit zur Idee, immer am 28. September nach Prag zu radeln. Für die Auswahl des Termins waren allerdings nicht nur freundschaflich-symbolische Gründe ausschlaggebend. „An jenem Tag ist das Verkehrsaufkommen auf den tschechischen Straßen nicht so hoch“, verrät Hauptlorenz – ein ganz profaner Grund, aber einer, der einleuchtet.
Was die teilnehmenden Herren und eine Dame nicht wussten, bevor sie um 5.30 Uhr in Olbernhau in die Pedalen traten: Täve Schur wurde von Seidel und Hauptlorenz eingeladen, den Tross zu begleiten. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten fuhr der inzwischen 81-Jährige wieder auf dem Rad durch böhmische Landen in Richtung Goldene Stadt. Erinnerungen an die Friedensfahrt wurden wach, und ihr zweifacher Gewinner Schur musste mehr als einmal an die Ereignisse und Umstände von vor 50 Jahren denken. „Die Begeisterung an den Straßenrändern war damals natürlich ungleich größer als sie es heute bei dieser Fahrt war“, bemerkte Schur nach der Ankunft mit einem Augenzwinkern in den Gassen der Prager Kleinseite.
In Prag wartete nach der rund neunstündigen Fahrt ein Empfang im Sächsischen Verbindungsbüro auf die ermatteten Fahrer. Das Büro unter der Leitung von Stefanie Rehm widmet sich seit kurzem um den kulturellen und bildungspolitischen Austausch des sächsischen Freistaates mit seinem Nachbarn. In diesem Sinne war es wohl der richtige Ort, um die „Etappe“ zu beenden. Leider fehlte der binationale Charakter, denn außer ein paar Innenstadt-Touristen dürfte von der Radgruppe kaum jemand Notiz genommen haben. Das soll sich nächstes Jahr ändern – dann sollen nämlich auch die Freunde des Radvereins in Litvínov an der Fahrt teilnehmen. Und wenn Täve Schur mit 82 Jahren immer noch so fit ist wie in diesem Jahr, so wird er wahrscheinlich auch im Jahr 2013 den Wenzelstag auf dem Radsattel und den Spuren der alten Friedensfahrt verbringen.
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