Mit Kafka und Dr. Watson auf Verbrecherjagd

Mit Kafka und Dr. Watson auf Verbrecherjagd

In Klaus-Peter Walters „Sherlock Holmes und der Golem von Prag“ bekommt es der berühmte Detektiv mit vielen Widersachern zu tun

13. 7. 2016 - Text: Helge HommersText: Helge Hommers; Foto: Enrico/CC BY 2.0

Gerade noch dem Tod von der Schippe gesprungen, blicken Meisterdetektiv Sherlock Holmes und sein Assistent Dr. Watson ihrem fliehenden Widersacher, einem Golem, hinterher. „So was! Der verabschiedet sich nicht einmal! Wie dieser Kafka manchmal!“, kommentiert Watson den davonrennenden Golem. Und Holmes ergänzt mit bekannter Nüchternheit: „Vielleicht sollten wir nicht allzu großen Wert auf Etikette legen“.

Als vor 35 Jahren das Urheberrecht für das literarische Werk des britischen Schriftstellers Arthur Conan Doyle ablief, erschienen in der Folgezeit mehr Werke über Holmes’ und Watsons Abenteuer als noch zu Lebzeiten ihres Schöpfers. „Sherlock Holmes und der Golem von Prag“ ist Klaus-Peter Walters dritter Roman, in dem er die Geschichte des berühmten Ermittler­duos fortschreibt. Erschienen ist der klassische Detektivroman im KBV-Verlag, der sich auf Kriminal­geschichten mit Lokalkolorit spezialisiert hat. 

Warum Watson und Holmes sich auf einen Kampf mit einem Golem einlassen, ist schnell erzählt: Die in die Jahre gekommenen Ermittler erhalten einen Brief von einem gewissen Dr. Franz Kafka, der die beiden bittet, so schnell wie möglich nach Prag zu kommen. Schließlich habe Kafka den Verdacht, dass in der Stadt ein Golem sein Unwesen treibt. Zeitgleich bekommt Holmes von seinem im Verteidigungs­ministerium arbeitenden Bruder den Auftrag, einen Verräter im Militärapparat der k. u. k. Monarchie aufzu­decken.

Nach ihrer Ankunft wird den beiden schnell bewusst, dass zwischen den Ereignissen ein Zusammenhang bestehen muss. Bei ihren Ermittlungen geraten sie aber nicht nur in Kämpfe mit einem, sondern gleich mit mehreren Golems und auch in das Visier des Generaloberst Redl, der die unerwünschten Gäste aus dem Weg schaffen möchte.

Vorangestellt ist dem Roman, der aus der Sicht des Ich-Erzählers Watson geschrieben ist, eine angeblich verschollene Erzählung Kafkas, die jedoch aus der Hand des Autoren Walter stammt. Wie er selbst gesteht, eine geradezu „blasphemische Idee“. In gewisser Weise ist der „kafkaeske“ Prolog eine Zusammen­fassung der folgenden Handlung. Dass diese nicht komplett überzeugen kann und auch nur bedingt spannend geraten ist, gehört zu einem der Hauptkritikpunkte.

Der Plot ist schnell durchschaut und auch die gar nicht so fantastische Auflösung zur Herkunft der Golems lässt den Leser eher enttäuscht zurück. Ebenso bietet die sprachliche Gestaltung wenig Überraschendes und ist eher für heranwachsende Leser geschrieben, was Fans von Detektiv­romanen aber wohl kaum stören wird.

Die große Stärke des Buches ist dagegen die Literatur­verliebtheit seines Autors. So war es nicht Kafka selbst, der im Roman den Brief abschickte, sondern dessen bester Freund Max Brod, der das Schriftstück im Papierkorb fand. Ein nur allzu deutlicher Hinweis auf die spätere Veröffentlichung von Kafkas Werk, das dieser eigentlich verbrannt sehen wollte und nur dank Brods Initiative den Weg in die Literaturgeschichte fand. Ebenso ziehen sich Kafkas Ideen zu möglichen Erzählungen wie „Die Verwandlung“ oder „Das Schloss“, die ihm während der Handlung in den Sinn kommen, wie ein roter Faden durch das Buch. Zudem treten literarische Persönlichkeiten wie Jaroslav Hašek und Egon Erwin Kisch auf der Bildfläche auf und schaffen, auch dank der eindrücklichen Schilderungen des Alltags auf den Straßen und in den Kaffeehäusern, ein präzises Bild des Lebens in Prag im Jahre 1912.

Klaus-Peter Walter: Sherlock Holmes und der Golem von Prag. KBV-Verlag, Hillesheim 2016, 290 Seiten, 10,95 Euro, ISBN 978-3-95441-287-7