Mehr Atomstrom

Mehr Atomstrom

Tschechien berät die Neufassung seines Energiekonzepts mit den Nachbarländern

5. 3. 2014 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: Dr. Killer

 

Wie viel Atomstrom ist in Tschechien nötig, wie viel erneuerbare Energie möglich? Diese und andere Fragen beantwortet die neue Überarbeitung des staatlichen Energiekonzepts, die in den kommenden Monaten abgeschlossen werden könnte. Zuerst werden aber noch die Nachbarländer nach ihrer Meinung gefragt. Derzeit können in Deutschland Öffentlichkeit und Behörden ihre Einwände gegen die Neufassung des tschechischen Energiekonzepts vorbringen.

Ein wichtiger Bestandteil des tschechischen Entwurfs ist die weitere Nutzung der Atomenergie. Im Kernkraftwerk Temelín sollen zwei neue Blöcke in Betrieb genommen werden und die vier Blöcke in Dukovany so modernisiert werden, dass ihre Laufzeit auf 60 Jahre verlängert werden kann. Dort soll auch ein fünfter Block um das Jahr 2040 entstehen. Zudem ist vorgesehen, Flächen für die weitere Entwicklung der Kernenergie nach 2040 abzugrenzen. Der Anteil des Atomstroms am gesamten Energiemix soll dem Konzept zufolge auf etwa 52 Prozent steigen. Im Gegenzug soll die Energieerzeugung aus Kohle nur noch etwa 16 Prozent ausmachen. Derzeit sind es 60.

Der Anteil der erneuerbaren Energien soll ebenfalls wachsen, so zum Beispiel die Energiegewinnung durch Biomasse und Fotovoltaikanlagen. Der Gesamtverbrauch wird dem Konzept zufolge praktisch stagnieren, während die Energieproduktion steigt.

Laufzeit verlängern
Da solche Pläne die Belange der Nachbarstaaten beeinträchtigen könnten, dürfen sich deren Bürger und Behörden zum tschechischen Konzept im Rahmen des grenzüberschreitenden Strategischen Umweltprüfungsverfahrens äußern. Dieses sogenannte SUP-Verfahren muss gemäß europa- und völkerrechtlicher Verpflichtungen durchgeführt werden, falls Pläne und Programme grenzüberschreitende Auswirkungen haben könnten. Die Ergebnisse der Konsultationen „sollten bei der Ausarbeitung des Plans oder Programms und vor dessen Annahme oder vor dessen Einbringung in das Gesetzgebungsverfahren Berücksichtigung finden“, heißt es in der entsprechenden Richtlinie der EU.

Alle vier angrenzenden Länder – Deutschland, Österreich, Polen und die Slowakei – hätten bereits Konsultationen erbeten, sagte der tschechische Staatssekretär für Industrie und Handel Pavel Šolc in der vergangenen Woche. Das Konzept an sich habe aber keiner der Nachbarn in Frage gestellt, daher rechne er damit, dass die zwischenstaatlichen Verhandlungen bis Ende März abgeschlossen werden können.

Mit den österreichischen Vertretern soll Šolc zufolge noch in dieser Woche verhandelt werden. „Ihre Fragen haben wir schon seit drei Wochen auf dem Tisch. Ich denke, wir sind schon in der Lage, sie zufriedenstellend zu beantworten.“ In Österreich hatten Öffentlichkeit und Behörden von Ende November bis Anfang Januar Gelegenheit, sich zu äußern. Die Einwände aus dem Nachbarland richten sich vor allem gegen den Plan, die Laufzeit des grenznahen Atomkraftwerks Dukovany auf 60 Jahre zu verlängern. Außerdem heißt es in einer Stellungnahme des Umweltbundesamtes: „Es sollten eine umfassende Analyse des Potenzials der erneuerbaren Energieträger durchgeführt und rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, um den Ausbau dieser Potenziale zu ermöglichen. Der Energieträger Kohle sollte nicht hauptsächlich durch Kernenergie und andere fossile Energieträger, sondern zum Teil durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden.“

Windkraft im Grenzgebiet
Die Verhandlungen mit Deutschland werden nach Angaben des Staatssekretärs Šolc erst später beginnen. Denn dort haben die Öffentlichkeit und die Behörden derzeit noch die Möglichkeit, zum Entwurf des aktualisierten tschechischen Energiekonzepts Stellung zu nehmen. Seit gut zwei Wochen können Eingaben auch in deutscher Sprache an die zuständige Behörde in Tschechien gerichtet werden. Die vierwöchige Frist für die Öffentlichkeitsbeteiligung endet am Dienstag, 18. März. Der Entwurf des Konzepts kann in dieser Zeit in deutscher Sprache auf der Internetseite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie abgerufen werden.

Mit der Slowakei seien die Konsultationen des Konzepts schriftlich gelöst worden, das Nachbarland hätte keine weiteren Angaben verlangt, so Šolc. Mit Polen haben Vertreter des Ministeriums für Industrie bereits verhandelt. Dabei ging es vor allem um die tschechische Strategie für die Nutzung von Atomenergie und um mögliche Windkraftwerke im tschechisch-polnischen Grenzgebiet.

Weitere Nachfragen erwartet der Staatssekretär nicht. Sobald die Konsultationen mit allen Nachbarn abgeschlossen sind, ist es Aufgabe des tschechischen Umweltministeriums, das Konzept und seine Auswirkungen auf die Umwelt zu prüfen.

Die Beteiligung der tschechischen Öffentlichkeit hat bereits im Herbst vergangenen Jahres stattgefunden. Umweltschützer hatten das neue Konzept kritisiert, unter anderem weil der tschechische Energiesektor damit nicht modernisiert werde. Alle Einwände seien aufgenommen und alle Fragen beantwortet worden, so Šolc. Er hält es daher für realistisch, dass das staatliche Energiekonzept bis Ende April oder Anfang Mai fertig sein wird. Vorher wird sich auch die Regierung noch einmal damit befassen.