Kultur im Fluss
Ein Gespräch mit den Machern des schwimmenden Kulturzentrums „Cargo Gallery“
26. 8. 2015 - Text: Stefan WelzelInterview und Foto: Stefan Welzel
Ein umgebauter Lastkahn verbindet seit dem Frühjahr die Kulturschauplätze Böhmen und Sachsen. Die „Cargo Gallery“ an Bord des Schiffes „Niké“ bietet mit Konzerten und Theater, Ausstellungen, Film- und Disco-Abenden eine Plattform für den deutsch-tschechischen Austausch. Finanziert durch öffentliche sowie private Gelder wollen die Initiatoren des Projekts eine mobile Brücke zwischen Dresden und Prag schlagen. Seit Juni liegt das Kulturboot in Prag vor Anker. PZ-Redakteur Stefan Welzel sprach mit Programmdirektorin Zuzana Fuksová und Mitbegründer Miloš Burkhardt.
Wie kamen Sie auf die Idee, ein mobiles Kulturzentrum auf einem Boot aufzubauen?
Fuksová: Das Schiff sollte verschrottet werden. Als wir es angeschaut haben, verliebten wir uns sofort. Bald kam uns die Idee, darauf eine Galerie einzurichten. Dass es nun ein mobiles Kulturzentrum ist, hat sich in der weiteren Aufbauphase so ergeben.
Der Umbau und die Sanierung kosteten viel Geld, das öffentliche und private Investoren gespendet haben. Sind damit auch Auflagen an die inhaltliche Ausrichtung verknüpft?
Fuksová: Die Gelder des europäischen Ziel-3-Fonds waren an die Bedingung gekoppelt, eine bestimmte Zeit im Jahr im Grenzraum zwischen Nordböhmen und Sachsen unterwegs zu sein und dabei den Fokus auf grenzüberschreitende Themen zu legen. Aber das ist nicht das ganze Jahr der Fall. Dennoch gehören diese bilateralen Projekte zu unseren ureigenen Interessen. Das liegt ja auf der Hand, denn das Boot hat nun mal den Vorteil, beweglich zu sein.
Mit welchen Partnern auf deutscher Seite arbeiten Sie zusammen?
Fuksová: Wir pflegen unter anderem Kooperationen mit dem Verein „Kultur Aktiv“ sowie dem Klub „Scheune“, beide aus Dresden. Außerdem planen wir eine Konzertreihe, bei der Songwriter und Beatbox-Künstler aus beiden Ländern gemeinsam auf der Bühne stehen. Auf böhmischer Seite assistieren bekannte einheimische Künstler eher unbekannten deutschen Acts und umgekehrt.
Burkhardt: Etwas in der Art haben wir im Frühling in Litoměřice gemacht, den „Cargo Jam“. Damals spielte unter anderem die deutsche Metal-Band „Lasse Reinstroem“ bei uns im großen Saal.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit den Gemeinden, in denen Sie anlegen?
Fuksová: Grundsätzlich positiv. Vor allem in kleineren tschechischen Städten sind wir willkommen. Dort gibt es kaum Probleme mit Genehmigungen. Man ist froh, dass wir die lokale Kulturszene bereichern.
Burkhardt: Auch auf der deutschen Seite in Dresden oder Bad Schandau läuft alles reibungslos.
Seit Mitte Juni liegt „Niké“ nun in Prag vor Anker. Wie sieht es mit dem Publikumszuspruch aus?
Fuksová: Das Interesse wächst täglich, das ist zumindest mein persönlicher Eindruck. Wir leben vor allem von Mund-zu-Mund-Propaganda, da unsere Werbemittel begrenzt sind. Die Sommerzeit stellt sich als schwierig heraus, da viele Menschen im Urlaub sind. Nächstes Jahr wollen wir im Frühling in Prag sein. Wo genau, wissen wir aber noch nicht.
Burkhardt: Am Náplavka-Ufer nahe dem Karlsplatz wäre eine Möglichkeit. Dort ist aber auch die Konkurrenz ziemlich groß. Hier, nahe der Altstadt, stehen kommerzielle Interessen im Vordergrund. Man muss sich nur all die Touristenboote anschauen. Man darf nicht vergessen, dass so ein Standplatz einiges kostet. Eine Option für die Zukunft ist auch eine Anlegestelle nahe der Markthallen in Holešovice.
Bezahlen Sie unter der Čech-Brücke genau so viel wie alle anderen Anleger?
Burkhardt: Ja, da macht die Stadt Prag keine Ausnahmen.
Ihre künstlerische Ausrichtung ist sehr breit gefächert. Gibt es dennoch ein „Flaggschiff“?
Burkhardt: Wir haben viel ausprobiert. Die Frage war: Was funktioniert, was nicht? Deshalb präsentiert sich unser Programm als wilde Mischung. An einem Abend veranstalten wir eine Techno-Disco, am nächsten ein Theater, anschließend ein Jazzkonzert. Wir wollen damit ein möglichst breites Publikum anzusprechen.
Orientieren Sie sich dabei mehr an der etablierten oder an der alternativen Szene?
Burkhardt: Wir bewegen uns irgendwo dazwischen. Der Anspruch bleibt stets der gleiche: Wir wollen hochwertige Kunst präsentieren. Es ist egal, ob es sich um Hiphop, Theater, Rock oder Zirkus handelt – Hauptsache, die Qualität stimmt. Ein Beispiel ist das Stück „Leni“ des Prager Theaters „Divadlo v Řeznické“, das gerade zu Gast war. Für ihre Rolle als Leni Riefenstahl gewann Vilma Cibulková diesen Frühling den begehrten Thálie-Preis als beste Theaterschauspielerin des Landes.
Erhält die „Cargo Gallery“ für den laufenden Betrieb Subventionen von der Stadt Prag?
Burkhardt: Zur Zeit nicht. Das wäre natürlich sehr willkommen. Wenn wir zum Beispiel eine aufwendige Ausstellung kuratieren, decken wir die Kosten nicht alleine über die Ticketverkäufe. Deshalb veranstalten wir auch kommerzielle Anlässe, die gewinnbringend sind und manches in der Cargo Gallery subventionieren.
Die Cargo Gallery bleibt noch bis Samstag, 19. September in der Hauptstadt (Nábřeží Edvarda Beneše, nahe der Čech-Brücke/Čechův most). Danach geht es flussabwärts Richtung Děčín und Ústí nad Labem. Im Dezember wird sie wieder in Prag anlegen.
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