Kristalle am Kaiserwald

Das Karlsbader Filmfestival glänzt mit prominentem Besuch und anspruchsvollen Beiträgen

28. 6. 2012 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: Roberto Benigni in Woody Allens "To Rome with Love" (© 2012 - Sony Pictures Classics)

„Tradition verpflichtet“ – ein Gemeinplatz, der im Kontext mit den Filmfestspielen im westböhmischen Karlsbad jedoch absolut zutreffend ist. Das internationale Festival geht zwischen dem 29. Juni und 7. Juli bereits zum 47. Mal über die Bühne und gehört somit zu den ältesten des Kontinents. Einmal mehr werden prominente Gäste erwartet, die auf dem berühmten roten Teppich Glanz und Glamour versprühen. Dieses Jahr beehren die beiden Schauspielkoryphäen Susan Sarandon und Helen Mirren den weltweit wohl meist beachteten Kulturanlass der Tschechischen Republik.

In vier Wettbewerbskategorien werden über 50 Beiträge präsentiert. Daneben laufen mehrere Dutzend Streifen außer Konkurrenz. In der Hauptkategorie der offiziellen Selektion findet sich auch eine österreichische Produktion des deutsch-türkischen Regisseurs Hüseyin Tabak, der sich im deutschsprachigen Raum unter anderem mit der Tatortfolge „Das namenlose Mädchen“ und der Dokumentation „Kick-Off“ einen Namen gemacht hat. In seinem Auswandererdrama „Deine Schönheit ist nichts wert“ behandelt Tabak den Kulturschock eines pubertierenden Jungen aus der Türkei, der mit seinen Eltern nach Wien emigriert und sich dort zum ersten Mal in ein Mädchen verliebt.

Eine bedrückende Studie menschlichen Umganges mit Tod und Schuld liefert der frankokanadische Filmemacher Rafaël Ouellet. In „Camion“ verliert sich der verwitwete Fernfahrer Germain in Depressionen und Einsamkeit, nachdem er bei einem Unfall eine Frau getötet hat. Insgesamt zwölf Beiträge streiten um den begehrten Hauptpreis, den „Kristallglobus“. In der Spezialkategorie „East of the West“ legt das Festival seinen Fokus ausschließlich auf den osteuropäischen Film. Psychologische Tiefgänge in die Seele eines zerrissenen Helden bilden das Hauptmerkmal von Petér Bergendys „A viszga“ („Das Examen“). Der Ungar setzt seine Geschichte im Jahre 1956 an, als in seinem Heimatland die demokratische Protestbewegung blutig niedergeschlagen wurde – ein junger Staatsagent kommt dabei zwischen die Fronten von Pflicht und Gewissen.

Bei den Dokumentarfilmen sticht Helena Treštíkovás „Soukromý vesmír“ („Private Universe“) heraus. Die Tschechin begleitete eine Familie 30 Jahre lang mit ihrer Kamera und wurde über die Jahrzehnte ein Teil dieser Gemeinschaft. Die Regisseurin stieß mit ihren Langzeitdokumentationen schon oft auf herbe Kritik, dennoch ist ihre Arbeit faszinierend und der Streifen sehenswert. Im „Forum der Unabhängigen“ erhalten kleine Produktionen junger aufstrebender Talente eine Plattform. Die Arbeit für die Jury um den Direktor des New Yorker Filmfestivals und den Professor für Filmstudien an der renommierten Columbia-Universität, Richard Peña, wird jedenfalls nicht einfach sein. Die Auswahl der Beiträge ist hochwertig und vielseitig.

Außer Konkurrenz laufen unter anderem der Eröffnungs- und Schlussfilm. Der Film „Good Vibrations“ der Regisseure Lisa Barros D’Sa und Glen Leyburn handelt vom nordirischen Punkszene-Begründer Terri Hooley. Wilde Musik und romantische Lebensentwürfe entführen den Zuschauer in eine raue und doch lebensfrohe Welt voller rebellischer Träume.

Krönende Derniere des Festivals bildet der neueste Streich von Regie-Legende Woody Allen. Sein „To Rome with Love“ steht ganz in Allens persönlicher Erzähltradition: Skurrile Einzelgeschichten verweben sich zu einem großen Ganzen und spiegeln sich im urbanen Wirrwarr der Ewigen Stadt. Das Staraufgebot um Penélope Cruz, Alec Baldwin und Roberto Benigni verspricht einiges – und steht so symbolisch für die 47. Ausgabe des Karlsbader Filmfestivals.