Kommentar: Platte Provokation

Kommentar: Platte Provokation

David Černý schießt mit seiner Kunstaktion über das Ziel hinaus

23. 10. 2013 - Text: Stefan WelzelText: Stefan Welzel; Foto: René Pfaff

Er ist das „angesagteste“ Enfant terrible der hiesigen Kunstszene. Viele seiner Skulpturen und Installationen sind aus dem Prager Stadtbild nicht mehr wegzudenken. So schuf er unter anderem die krabbelnden Babys am Fernsehturm in Žižkov und im Kampa-Park oder den auf einem umgedrehten Pferd sitzenden Wenzel in der Lucerna-Passage. David Černý mag die Provokation, die Reibung mit konservativen Sehgewohnheiten. Was er nicht mag: das Konventionelle. Und: Miloš Zeman. Černý mischt sich mit seinem Schaffen und klaren Statements auch ins politische und gesellschaftliche Leben ein. Das darf und soll er als Künstler auch.

Nun stellte Černý einen überdimensionierten „Stinkefinger“ mitten auf die Moldau. Zeigerichtung: Zemans Amtssitz. Die Aussage ist eindeutig. Und unter der Gürtellinie. Egal, wie oft der Präsident selbst unter diese schlägt – auf ein solches Niveau braucht man sich nicht begeben. Černýs Aktion ist wohl nicht nur Ausdruck eines engagierten und unabhängigen Künstlers gegen das Establishment.

Sie ist gezielte Stimmungsmache gegen den latent Klientelpolitik betreibenden Präsidenten. Ein schiefes Licht auf den gestreckten Mittelfinger wirft allerdings Černýs aktive Unterstützung der Wahlkampagne von Karel Schwarzenbergs Partei TOP 09. Politische Ausrichtung: konservativ. Jüngste politische Erfolge: großer Juniorpartner einer wegen zahlreichen Korruptionsfällen (und Klientelpolitik) äußerst unbeliebten Regierungskoalition. Hochgelobte Künstler, die denken, zumindest zeit- und teilweise die Stimme des Volkes zu sein, laufen Gefahr, die Bodenhaftung zu verlieren und über das Ziel hinauszuschießen.

Zu Černýs Installation
David Černý hat sein neues Kunstwerk am Montag direkt neben der Karlsbrücke aufstellen lassen. Nicht ohne Grund: „Das ist ein Stinkefinger für die beschissenen kommunistischen Bastarde auf der Prager Burg“, übermittelte der bekannte Aktionskünstler dem Nachrichtenportal ­„idnes.cz“ per Kurznachricht. Die anstößige Geste ist vor allem für Staatspräsident Miloš Zeman bestimmt und Černýs „Beitrag zur vorgezogenen Parlamentswahl“ an diesem Wochenende. Danach soll die zehn Meter hohe Skulptur von der Moldau verschwunden sein. Ob sie der Partei TOP 09 von Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg, den Černý bereits bei der Präsidentschaftswahl unterstützte, nun mehr Stimmen einbringt, ist umstritten. Genauso wie das Kunstwerk selbst.   (PZ)