Kämpfen wie im Mittelalter
Sportler aus aller Welt treffen sich in Prag zur „Battle of the Nations“ – und stoßen bei einem Horn Met auf ihre Wunden an
18. 5. 2016 - Text: Helge HommersText und Foto: Helge Hommers
Sand wirbelt durch die Luft, als der Ritter in schwerer Rüstung zu Boden geht. Er reißt seinen Schild hoch und versucht aufzustehen, doch ein Axthieb des Gegners lässt ihn niedersinken. Der Ritter aus deutschen Landen bleibt zwischen seinen regungslosen Kampfgenossen liegen, während der Gegner bereits ein neues Opfer ausgemacht hat. Splitter fliegen durch die Luft und laut klirrt ein Kettenhemd, als plötzlich aus einem Lautsprecher eine Frauenstimme erklingt: „Stop Fight!“ Die eben noch Totgeglaubten richten sich auf, um sich von den Schiedsrichtern zählen zu lassen, während die siegreichen Kämpfer die Arme in die Höhe reißen und grölen. Das tschechische Team gewinnt die erste Runde mit 13:0 gegen Deutschland.
Was aussieht wie ein Ritterturnier, ist eine Sportveranstaltung, die sich „Battle of the Nations“ (BOTN) nennt – der Weltmeisterschaft der mittelalterlichen Kämpfe. Anfang Mai wurde sie in Prag ausgetragen. Mehr als 750 Athleten aus über 30 Nationen marschierten auf dem Laurenziberg (Petřín) auf, darunter auch Teams aus Argentinien, Mexiko und Neuseeland. Auf dem Schlachtfeld stehen sich bei einem solchen Turnier jeweils bis zu 21 Kämpfer aus zwei Ländern mit historischen Waffen und Rüstungen aus dem europäischen Mittelalter gegenüber.
„Es sind aber nicht nur Sportler, die herkommen. Viele wollen einfach das Miteinander genießen“, sagt Mathieu. Der Franzose studiert seit drei Jahren in Prag und ist kampferprobt, wie unschwer an dem Schwert zu erkennen ist, das er am Bund seiner Stoffhose befestigt hat. Doch in den Ring steigt er nicht: „Ich bin hier, um Freunde zu treffen und vielleicht noch ein Andenken zu kaufen.“ Für ihn ist es die erste BOTN, die er besucht.
Das Turnier wurde erstmals 2010 in der Ukraine ausgetragen, 2015 fand es wie in diesem Jahr in Prag statt. Zu den Veranstaltungen kommen bis zu 30.000 Besucher, darunter auch einige, die wenig Verständnis für die Mittelalter-Liebhaber aufbringen. „Manche halten uns für verrückt. Aber das stimmt nicht“, meint Mathieu.
Während die Schwerter ruhen, verbringen die Athleten die freie Zeit in einer Zeltstadt. Dort wohnen für ein paar Tage auch Händler, die mittelalterlichen Schmuck verkaufen, kaputte Waffen reparieren oder Met und Krauteintopf anbieten, wie ihn vermutlich auch die Ritter vor 700 Jahren genossen haben. „Moderne Geräte haben wir hier nicht. Wir kochen über offenem Feuer, die Teller und Becher sind aus Ton“, erklärt Petro Borysov vom Organisatorenteam. „Einzig die Toiletten sind nicht wie im Mittelalter.“
Harte Treffer, wenig Schaden
Besonders in den Abendstunden geht es auf dem Gelände hoch her, denn nach den Strapazen des Turniers wird ausgelassen gefeiert. Bei den Klängen von Dudelsack, Bauchtrommel und Laute werden Freundschaften geschlossen. Oft stoßen auch ehemalige Rivalen mit ihren Trinkhörnern an. „Es kam schon vor, dass sich Leute abends in den Armen lagen, die sich tagsüber noch geprügelt haben“, erzählt Borysov. „Aber mit Helm erkennt man den Gegner ja schlecht.“
Schwere Verletzungen werden dagegen nur selten beklagt. Häufig bleibt es bei blauen Flecken und Schrammen – auch weil die Waffen zwar detailgetreu und schwer, aber nicht scharf sind. „Obwohl es nicht so wirkt, sind Eishockey und Fußball wesentlich gefährlicher. Die Rüstung ist so dick, dass selbst die härtesten Treffer nur wenig Schaden anrichten“, sagt Borysov.
Anders als im Mittelalter stehen heute aber nicht nur Männer auf dem Schlachtfeld. Eine, die bei den Kämpfen in Prag nur selten einstecken musste, ist Denise Brinkmann. Die 27-Jährige wurde Vizeweltmeisterin im Einzel-Wettkampf. Erst im Finale musste sie sich ihrer russischen Konkurrentin geschlagen geben. Die Bremerin hat erst zwei Jahre mittelalterliche Kampferfahrung. Auch sie erlebt es häufig, dass ihr Hobby als „verrückt“ bezeichnet wird. „Ich antworte dann, dass der Unterschied zu anderen Kampfsportarten nicht groß ist“, sagt sie und schwärmt von der Atmosphäre auf dem Petřín: „Alle gehen sehr herzlich miteinander um. Aber in der Arena ist es emotionsgeladener. Jeder Zuschauer hat seinen Favoriten und macht das auch lautstark deutlich“, sagt Brinkmann.
Für ihre Landsleute, die im Team antreten, wendet sich das Blatt auch in der zweiten Runde nicht. Erneut verlieren die Ritter der deutschen Mannschaft mit 0:13 gegen die Gastgeber, die von knapp 2.000 Zuschauern mit „Češi, Češi“ angefeuert werden. Doch auch der tschechischen Auswahl ist kein Glück beschienen. Den Titel machen die Ukraine und Russland wie in nahezu allen der insgesamt 17 Disziplinen unter sich aus. Beide Länder gelten als Schwergewichte der Sportart.
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