Interview

„Jetzt ist alles anders“

„Jetzt ist alles anders“

Tschechiens Radsport-Hoffnung Leopold König steht nach seinem Erfolg bei der Tour de France vor einer schwierigen Entscheidung

21. 8. 2014 - Text: Marcus Hundt, Foto: Petit Brun, CC BY-SA 2.0

Einer wie er fehlt dem deutschen Radsport. Und obwohl sein Name nicht deutscher klingen könnte, ist es ein tschechischer Radsportler, der bei den großen Landesrundfahrten ganz vorn mitfährt. Leopold König hat vor kurzem mit Platz sieben bei der Tour de France ein Ausrufezeichen gesetzt und den Ausfall von Roman Kreuziger für die tschechischen Radsportfans nahezu vergessen gemacht. Im Gespräch mit der „Prager Zeitung“ gibt sich der 26-Jährige aus Moravská Třebová überaus selbstbewusst und gibt offen zu, dass sich einige der besten Radsportteams nun um ihn reißen.

Bei Ihrer ersten Tour-Teilnahme sind Sie auf Anhieb auf dem siebten Platz gelandet. Hatten Sie mit einem solch guten Abschneiden gerechnet?

Leopold König: Ich hatte mir vorgenommen, am Ende einen Top-Ten-Platz zu belegen. Und dieses Ziel habe ich gar nicht als unrealistisch empfunden, sondern fest daran geglaubt. Schließlich hatte ich die Spanien-Rundfahrt im vergangenen Jahr als Gesamt-Neunter beendet.

Gab es im Rückblick einen entscheidenden Moment für den Erfolg bei der diesjährigen Tour de France?

König: Auch wenn es nach der ersten Woche nicht so gut für mich aussah, habe ich nach der ersten Alpen-Etappe wieder Selbstvertrauen getankt. Auf einmal war ich unter den besten Zehn, und das war der Punkt, an dem mir klar war, dass ich mein Ziel tatsächlich erreichen kann.

Aus der anderen Sicht gefragt: Welcher Moment war für Sie der kritischste auf der diesjährigen Tour?

König: Da gab es nicht nur einen. Sehr schlecht lief für mich die Etappe in den Vogesen, wo ich auf einer Abfahrt drei Kilometer vor dem Ziel schwer gestürzt bin – ich war mit 60 Stundenkilometern unterwegs … Da hatte ich eine Menge Zeit verloren und mir in dem Moment gedacht, für mich ist die Tour jetzt wohl vorbei. Einen weiteren kritischen Tag habe ich in den Pyrenäen erlebt, wo bei mir wirklich nicht viel zusammenlief.

Auf der Spanien-Rundfahrt 2013 sind Sie nicht nur Neunter geworden, sondern haben auch die schwere Bergetappe von Jerez nach Estepona gewonnen. Schätzen Sie diesen Erfolg höher ein als ihren siebten Platz bei der Tour?

König: Das lässt sich kaum miteinander vergleichen. Beide Ergebnisse sind für mich ungeheuer wertvoll. Ein Sieg ist ein Sieg, das ist so. Aber der siebte Platz bei der Tour bedeutet, dass man einer der besten Fahrer auf dieser Welt ist.

Ärgert es Sie dann nicht, dass ein Siebtplatzierter nicht die Ehrung erfährt wie ein Tagessieger oder ein Führender der Berg- oder Sprintwertung, die mit Blümchen und Küsschen bedacht werden?

König: Nein, überhaupt nicht. Dass ich nicht auf dem Podium stehe, finde ich absolut nicht wichtig.

Seit drei Jahren fahren Sie für den deutschen Rennstall Team NetApp, der nur über eine Wildcard an der diesjährigen Tour de France teilnehmen konnte. Denken Sie nun über einen Wechsel zu einem besseren Team nach? Gibt es bereits konkrete Angebote?

König: Ich habe natürlich einige Angebote bekommen. Jetzt muss man abwägen, was man eigentlich will und von der Zukunft erwartet. Wenn man für eines der UCI ProTeams fährt (zu denen NetApp nicht gehört; Anm. d. Red.), nimmt man automatisch an den besten Radrennen der Welt teil. Auf der anderen Seite bekomme ich in einem Team wie NetApp auch genügend Gelegenheiten, mich auszuzeichnen.

Welches große Ziel haben Sie sich als nächstes vorgenommen? Planen Sie bei der Tour im kommenden Jahr den Sprung auf das Podest?

König: Die Frage hängt eben damit zusammen, für welchen Rennstall ich im kommenden Jahr fahren werde. Falls ich als Kapitän an den Start gehe, dann will ich meine Position in der Gesamtwertung auf jeden Fall verbessern.
Hatten Sie in Ihrer Jugend ein sportliches Vorbild?

König: Mein erstes Idol war Jaromír Jágr, später – als ich mich auf den Radsport konzentrierte – Lance Armstrong.

Wo wir bei einem wichtigen Thema wären. Zahlreiche Doping-Fälle haben den Radsport international in Verruf gebracht, die Begeisterung und Wertschätzung vieler Menschen für diesen Sport ist in den vergangenen Jahren immer mehr zurückgegangen. Stimmt Sie das nicht traurig?

König: Der Radsport hat das am meisten durchdachte System im Kampf gegen Doping – und auch die meisten Kontrollen. Sicher: Die neunziger Jahre waren ein ganz dunkles Kapitel in der Radsportgeschichte und zu Beginn des neuen Jahrtausends – das sage ich ganz offen – waren alle Fahrer, die bei der Tour unter den besten Zehn gelandet sind, gedopt.

Und heute?

König: …ist alles anders. Mit der Einführung der Biologischen Pässe ist Doping praktisch nicht mehr möglich. Früher oder später fliegt jedes schwarze Schaf auf.

Die Fragen stellte Marcus Hundt.