Ist uns doch wurst!

Ist uns doch wurst!

Tschechiens Experten nehmen die WHO-Studie zu Fleischkonsum und Krebsrisiko gelassen

4. 11. 2015 - Text: Corinna AntonText: ca/čtk; Foto: André Mouraux/CC BY 2.0

Schinken und Wurst sollen krebserregend sein – mit dieser Aussage hat eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der vergangenen Woche für Schlagzeilen gesorgt. Geräuchertes kann der WHO zufolge das Krebsrisiko ebenso steigern wie Tabak oder Asbest. Als wahrscheinlich krebserregend wird auch unverarbeitetes rotes Fleisch eingestuft, also das Muskelfleisch von Rind, Schwein, Lamm, Kalb, Schaf, Pferd und Ziege.

Für Tschechien müsste die Studie alarmierend sein, könnte man meinen – sucht man doch hierzulande vegetarische Gerichte oft vergeblich auf Speisekarten traditioneller Gaststätten. Doch die Experten bleiben gelassen. „Jeder weiß, dass geräuchertes Fleisch nicht so gesund ist wie zum Beispiel Fisch“, sagt Landwirtschaftsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) und rät seinen Landsleuten, sich nicht zu viel aus der Nachricht zu machen. Stressfaktoren hätten mehr Einfluss auf die Gesundheit und das Krebsrisiko als Wurst, meint der Minister. Ressortsprecher Hynek Jordán ergänzt, Tschechien wehre sich gegen die Bemühungen der WHO und anderer Institutionen, „die irreführenden Informationen für Verbraucher auszuweiten, die gegen die Grundsätze des Lebensmittelrechts in der EU verstoßen“.

Keinen Grund zur Sorge sieht auch der Vorsitzende der heimischen Lebensmittelkammer Miroslav Toman. Seiner Meinung nach seien schon öfter solche Daten aufgetaucht, nicht immer hätten sie sich jedoch als wahr erwiesen. Der Geschäftsführer des Verbands der Fleischverarbeiter stellt die Methodik der WHO in Frage. Rotes Fleisch und Wurstwaren würden vor allem in Amerika und Deutschland gegessen, so Jan Katina; dennoch seien Tschechen häufiger von Darmkrebs betroffen. Außerdem kritisiert er, dass in der Studie weitere Einflüsse, wie der Lebensstil der Teilnehmer, nicht berücksichtigt worden seien.

In Tschechien diagnostizieren Ärzte jährlich bei mehr als 8.000 Patienten Darmkrebs. Damit gehört es seit langem zu den Ländern, in denen verhältnismäßig viele Menschen an dieser Krankheit leiden. Mediziner warnen, dass einer der Hauptgründe dafür der übermäßige Verzehr von geräucherter Wurst sein könnte. Im Bericht der WHO heißt es, dass 50 Gramm verarbeitetes Fleisch täglich – also etwa zwei Scheiben Speck – das Risiko an Darmkrebs zu erkranken um 18 Prozent steigern.

Man sollte Wurst nur als Ergänzung essen und nicht dreimal am Tag, meint daher Pavel Suchánek vom Forum für gesunde Ernährung. Wer aber zum Frühstück Brot mit einem Stück Qualitätsschinken zu sich nehme, der werde davon nicht krank. „Es ist gut, wenn die Empfehlung der WHO dazu führt, dass die Menschen darüber nachdenken, wie viel Wurst von welcher Sorte sie pro Tag zu sich nehmen“, so der Experte. Seine Hoffnung: Am besten wäre es, wenn die Hersteller nun aufhören würden, Wurst von geringer Qualität, mit niedrigem Fleisch- und hohem Salz- und Fettanteil zu produzieren.

Mit einem Umdenken der Hersteller dürfte allerdings hierzulande nicht so schnell zu rechnen sein – zumindest zeigen sie sich bisher keineswegs alarmiert von der Studie. Das Unternehmen Agrofert, Tschechiens führender Salami- und Würstchenfabrikant, relativiert die Ergebnisse mit einem seltsamen Vergleich: Rotes Fleisch und geräucherte Wurst sollten als ebenso gefährlich eingestuft werden wie zum Beispiel die Arbeit eines Frisörs, meint Firmensprecher Karel Hanzelka. Dass die Studie „mit maximaler Vorsicht“ interpretiert werden müsse, glaubt man auch beim Lebensmittelhersteller Hamé. „In der Vergangenheit sind in der Öffentlichkeit immer wieder angeblich verbriefte Informationen darüber aufgetaucht, dass dieses oder jenes schädlich wäre. Später zeigte sich jedoch, dass nicht alle Einflüsse berücksichtigt wurden“, so Sprecher Petr Kopáček.